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Erlösung

Erlösung

Titel: Erlösung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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Broschüren von neureligiösen Gemeinden und Sekten, die allesamt meinten, die endgültige Antwort auf die Bedrängnisse der Menschheit zu kennen: Sathya Sai Baba, Scientology, Kirche der Gottesmutter, Zeugen Jehovas, Kinder Gottes, Unification Church, Vierter Weg, Divine Light Mission und etliche andere, von denen sie noch nie gehört hatte. Und egal welcher Herkunft diese Religionen waren, sie beriefen sich alle darauf, den einzig wahren Weg zum Heil, zu Harmonie und Nächstenliebe zu kennen. Den einzig wahren Weg – so sicher wie das Amen in der Kirche.
    Sie schüttelte den Kopf. Was hatte er gesucht? Er, der mit aller Macht das drückende Korsett der Kindheit und die christlichen Dogmen abgestreift hatte? Ihres Wissens nach hatte keines dieser vielfältigen Angebote vor den Augen ihres Mannes Gnade gefunden.
    Nein, Gott und Religion gehörten wahrlich nicht zu den Worten, die in ihrer Klinkervilla im mächtigen Schatten des Doms von Roskilde oft zu hören waren.
     
    Als sie Benjamin in der Kinderkrippe abgeholt und ein bisschen mit ihm gespielt hatte, setzte sie ihn vor den Fernseher. Hauptsache, es waren Farben zu sehen, Hauptsache, die Bilder bewegten sich, dann war er zufrieden.
    Noch während sie zurück in den ersten Stock ging, überlegte sie, ob sie nicht aufhören sollte. Ob sie die letzten Kartonsnicht ungeöffnet wieder an ihren Platz stellen und die schmerzliche Vergangenheit ihres Mannes ruhen lassen sollte.
    Zwanzig Minuten später war sie froh, diesem Impuls nicht gefolgt zu sein. Stattdessen überlegte sie allen Ernstes, ob sie nicht auf der Stelle ihre Sachen zusammenraffen, die Blechdose mit dem Haushaltsgeld greifen und den erstbesten Zug nehmen sollte. So elend fühlte sie sich.
    Sie hatte schon damit gerechnet, in den Kartons Dinge zu finden, die ihre gemeinsame Zeit betrafen, jene Lebensphase, von der sie ein Teil geworden war. Aber sie hatte nicht damit gerechnet, sich selbst als Teil seiner Projekte aufgeführt zu sehen.
    Er hatte ihr gesagt, er habe sich Hals über Kopf in sie verliebt, schon gleich bei ihrer ersten Begegnung. Und genau so hatte auch sie empfunden. Doch das war alles nur Bluff gewesen, das wusste sie jetzt.
    Denn wie sollte ihre erste Begegnung im Café zufällig gewesen sein, wenn er hier einen Zeitungsartikel vom Springreiten im Bernstorffpark aufbewahrte, wo sie zum allerersten Mal auf dem Siegerpodest gestanden hatte? Das war doch viele Monate vor ihrer ersten Begegnung gewesen. Woher hatte er diesen Zeitungsausschnitt? Wenn er später über den Artikel gestolpert wäre, dann hätte er ihn ihr doch gezeigt, oder? Außerdem besaß er Programme von Turnieren, an denen sie lange Zeit davor teilgenommen hatte. Er hatte sie sogar an Orten fotografiert, wo sie auf keinen Fall mit ihm zusammen gewesen war. Also hatte er sie bereits Monate vor ihrer sogenannten ersten Begegnung systematisch ausspioniert.
    Er hatte nur auf den richtigen Moment gewartet, um zuzuschlagen. Sie war von ihm ausgewählt worden, aber so, wie sich die Dinge nun entwickelt hatten, schmeichelte ihr das nicht, bestimmt nicht.
    Sie bekam Gänsehaut.
    Und noch mehr erschauderte sie, als sie eine Archivbox ausHolz öffnete, die im selben Umzugskarton lag. Auf den ersten Blick nichts Besonderes. Nur ein Kasten mit Listen von Namen und Adressen, die ihr nichts sagten. Erst bei genauerem Hinsehen spürte sie das Unbehagen.
    Warum waren diese Informationen für ihren Mann so wichtig? Sie verstand es nicht.
    Zu jedem Namen, der auf der Liste stand, war eine Seite beigefügt, auf der in peinlicher Ordnung Daten zu der Person und der betreffenden Familie notiert waren. Zuerst, welcher Religionsgemeinschaft und welcher Gemeinde sie angehörten. Dann, welchen Status sie innerhalb dieser Gemeinde hatten, und anschließend, wie lange sie Mitglieder waren. Es folgten eher persönliche Informationen, unter anderem ausführliche Angaben über die Kinder der Familien. Name und Alter und auch ihre Charakterzüge, was sie am befremdlichsten fand. Da stand zum Beispiel:
    Willers Schou, fünfzehn Jahre. Nicht gerade Mutters Liebling, aber er steht dem Vater sehr nahe. Unbändiger Junge, der nicht regelmäßig an den Treffen der Gemeinde teilnimmt. Im Winter meistens erkältet, zweimal bettlägerig.
    Was wollte ihr Mann mit solchen Informationen? Und was ging ihn das Einkommen der Familien an? Spionierte er für das Sozialamt, oder was? Oder war er darauf angesetzt, Sekten in Dänemark zu infiltrieren und dort Inzest, Gewalt

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