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Erlösung

Erlösung

Titel: Erlösung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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Acht zu nehmen.
    Er hatte Geheimnisse, die ihn froh machten, aber auch traurig. Unter seinem Bett, ganz hinten unter einem ausgestopften Hermelin, lagen seine Schätze. Zeitschriften mit wilden Bildern und Geschichten. Versandhauskataloge mit Fotos von Frauen, die fast nichts anhatten, die ihn ansahen und lächelten. Er hatte auch Comics, die so lustig waren, dass er jedes Mal wieder lachen musste. Abgegriffene, bunt bedruckte Seiten mit Fettflecken und Eselsohren. Seiten, die Spaß und Nervenkitzel boten, aber keine Gegenleistung verlangten. Er fand sie in den Mülltonnen der Nachbarn, wenn er nach Einbruch der Dunkelheit aus dem Fenster kletterte, und das tat er oft.
    Nachts lag er dann unter seiner Bettdecke und lachte glucksend, aber ohne Ton.
    In dieser Phase seines Lebens sorgte er dafür, dass die Türen im Haus alle nur angelehnt waren. Damit er wusste, wo sich die verschiedenen Familienmitglieder gerade aufhielten. Damals lernte er, genauestens zu schauen, ob er freie Bahn hatte und seine Trophäen ohne Risiko heimbringen konnte.
    Damals lernte er zu lauschen wie eine Fledermaus auf Beutezug.
     
    Zwischen dem Moment, wo er seine Frau im Wohnzimmer zurückgelassen hatte, und dem Moment, wo er sie mit dem Jungen auf dem Arm durchs Gartentor schleichen sah, lagen höchstens zwei Minuten. In etwa das hatte er erwartet.
    Sie war ja nicht dumm. Sie war jung und naiv und leicht zu durchschauen, natürlich, aber dumm war sie nicht. Deshalb wusste sie, dass er Verdacht geschöpft hatte, und deshalb hatte sie Angst. Das hatte er in ihrem Gesicht gelesen und an ihrem Tonfall gehört.
    Und jetzt wollte sie fliehen.
    Sobald sie sich vor ihm sicher fühlte, würde sie reagieren. Es war nur eine Frage der Zeit, er hatte es gewusst. Deshalb stand er nun oben am Fenster und stampfte mit dem Fuß auf den Boden, stampfte und wütete so lange, bis sie fast unten an der Hecke war.
    Ja, so leicht konnte man sich Gewissheit verschaffen, und das wurmte ihn, auch wenn er sich längst an die Falschheit der Menschen gewöhnt hatte.
    Er sah nach unten zu seiner Frau und seinem Kind. Gleich würden sie durch das Loch in der Hecke und damit aus seinem Leben verschwunden sein.
    Obwohl: Die Hecke war wieder gut zugewachsen. Deshalb wartete er noch einen Moment, bevor er mit langen Schritten die Treppe hinunter und durch den Garten rannte.
    Sie fiel auf, diese schöne junge Frau in der roten Bluse mit dem Kind auf dem Arm. Folgen konnte er ihr deshalb nicht, auch wenn sie schon weit die Straße hinuntergelaufen war, ehe er sich durch die Hecke gezwängt hatte.
    An der Hauptstraße bog sie ab, kam an einer Nebenstraße mit einfacheren Häusern vorbei und glitt dann wieder in das beschauliche Villenviertel mit den Ligusterhecken.
    Genau das hatte er nicht erwartet.
    Du blöde Kuh, dachte er. Machst du mich in meinem eigenen Revier zum Hahnrei?
     
    In dem Sommer, als er elf wurde, stellte die Gemeinde seines Vaters auf dem Festplatz der Stadt ein Zelt auf. »Wenn das die roten Teufel können«, sagte er, »dann können wir Freikirchler das auch.«
    Sie schufteten den ganzen Morgen, um fertig zu werden. Die Arbeit war schwer, und auch andere Kinder mussten mit anpacken. Als sie den Fußboden im Zelt ausgelegt hatten, tätschelte sein Vater allen anderen Kindern den Kopf.
    Nur seine eigenen Kinder wurden nicht getätschelt, die bekamen den Auftrag, die Klappstühle aufzustellen.
    Und davon gab es viele.
    Dann wurde der Jahrmarkt eröffnet. Vier gelbe Heiligenscheine leuchteten über dem Eingang des Zelts und auf der Mittelstange prangte der Leitstern.
Nimm Jesus in die Arme – lass ihn ein
, stand quer über die Seite des Zelts geschrieben.
    Und die ganze Gemeinde erschien und lobte das Arrangement, aber das war’s dann auch schon. Trotz aller bunten Broschüren, die er und Eva an Gott und die Welt austeilen mussten, setzte kein einziger Außenstehender einen Fuß in das Zelt.
    Wenn niemand es sah, ließ sein Vater seine Wut und Frustration an seiner Mutter aus.
    »Lauft noch mal los, Kinder«, fauchte er. »Und macht es dieses Mal richtig!«
    Am Rand der Tierkinderschau, direkt neben den Krämerbuden, verloren sie sich aus den Augen. Eva konnte sich nicht vom Anblick der Kaninchen losreißen, aber er ging weiter. Nur so konnten sie ihrer Mutter helfen.
    Nehmt meine Broschüren, bettelten seine Augen, aber die Menschen gingen weiter. Wenn sie die doch nähmen, dann würde die Mutter heute Abend, wenn sie nach Hause kamen, vielleicht nicht

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