Erlösung
Solltest du nicht eigentlich längst mal seine Familie getroffen haben? Wäre es nicht an der Zeit, ihn mal zu besuchen?«
»Warum sagst du das?«
»Ist es nicht normal, sich für seine Partner zu interessieren?«
Partner?! Seit wann war Assad sein Partner? »Hardy, ich kenne dich«, sagte er. »Du hast doch irgendwas im Sinn. Spuck’s aus, woran denkst du?«
Hardy zog die Mundwinkel in einer Art Lächeln nach unten. Es war doch immer wieder schön, wenn jemand einen richtig verstand.
»Ich meine nur, da im Fernsehen, also da hab ich ihn plötzlich mit anderen Augen gesehen. Als würde ich ihn nicht kennen. Was meinst du, kennst du Assad?«
»Frag mich lieber, ob ich überhaupt jemanden kenne. Wen zum Teufel kenne ich in Wahrheit?«
»Wo wohnt er, weißt du das?«
»Soweit ich weiß, in der Heimdalsgade.«
»Soweit du weißt?«
Wo wohnt er? Wie ist seine Familie? Das war ja das reinste Kreuzverhör. Und leider hatte Hardy recht. Er wusste noch immer einen Dreck von Assad.
»Ich soll Jesper anrufen, hast du gesagt?«, lenkte er ab.
Hardy nickte ganz leicht. Die Geschichte mit Assad, damit war er offenbar noch nicht fertig. Wozu auch immer das gut sein sollte.
Carl griff zum Handy. »Du hast angerufen?«, fragte er Jesper im nächsten Moment.
»Du kannst schon mal die Kohle abheben, Kalle.«
Plötzlich musste Carl heftig blinzeln. Das klang verdammt selbstbewusst.
»Carl! Ich heiße Carl. Jesper, wenn du mich noch einmal Kalle nennst, dann überfällt mich in entscheidenden Momenten temporäre Taubheit. Du bist jetzt also gewarnt.«
»Okay, Kalle.« Jespers Lachen war förmlich zu sehen. »Dann wollen wir doch mal schauen, ob deine Ohren jetzt funktionieren. Ich hab für Vigga einen Kerl gefunden, hörst du?«
»Aha. Und ist der auch zweitausend Kronen wert oder schmeißt sie ihn morgen mit dem Badewasser raus, so wie den Dichter? Denn dann kannst du die Kröten gleich abschreiben.«
»Er ist vierzig, hat einen Opel Vectra, einen Laden und eine Tochter. Die ist neunzehn.«
»Na, so was aber auch. Und wo hast du ihn aufgestöbert?«
»Ich hab in seinem Laden ’nen Zettel aufgehängt. Den allerersten Zettel.«
Na, das war ja leicht verdientes Geld.
»Und warum glaubst du, dass der Kaufmann was für Vigga ist? Sieht er aus wie Brad Pitt?«
»Träum weiter, Kalle. Da müsste sich Pitt erst mal ’ne Woche auf die Sonnenbank legen.«
»Willst du damit sagen, er ist schwarz?«
»Nicht direkt schwarz, aber auch nicht weit entfernt.«
Carl hielt die Luft an, während ihm die restliche Geschichte mit größter Präzision übermittelt wurde. Der Mann war Witwer mit schüchternen braunen Augen. Genau das Richtige für Vigga. Jesper hatte ihn gleich mit zur Laubenkolonie geschleppt, und der Mann hatte Viggas Malereien gelobt und entzückt ausgerufen, die Gartenlaube sei das Gemütlichste, was er je in seinem Leben gesehen habe. Und damit lief die Sache. Im Moment waren sie jedenfalls in der Stadt und aßen in einem Restaurant im Zentrum.
Carl schüttelte den Kopf. Müsste er nicht heilfroh sein? Aber stattdessen machte sich ein mulmiges Gefühl im Bauch breit.
Als Jesper fertig war, klappte er in Zeitlupe sein Handy zusammen. Morten und Hardy starrten ihn an wie zwei Straßenköter in Erwartung von Essensresten.
»Haltet die Daumen, vielleicht sind wir gerade noch auf der Zielgeraden gerettet worden. Jesper hat Vigga mit dem idealen Mann verkuppelt. Scheint so, als könnten wir noch ein bisschen hier wohnen bleiben.«
Morten klatschte begeistert in die Hände. »Nein aber auch!«, rief er. »Und wer ist nun Viggas weißer Prinz?«
»Weiß?« Carl versuchte es auf die lustige Tour, aber irgendwie gelang ihm das nicht. »Jesper zufolge ist Gurkamal Singh Pannu der dunkelste Inder nördlich des Äquators.«
Hörte er da zwei Männer nach Luft schnappen?
An dem Tag waren die Randbezirke Nørrebros von Blau und Weiß und tieftraurigen Mienen geprägt. Noch nie hatte Carl so viele F C-Kopenhagen -Fans auf den Bürgersteigen gesehen, die so sehr ausgeschissenem Apfelmus ähnelten. Überall lagen Fahnen auf dem Boden, es schien, als seien die Bierdosen zu schwer, um sie an den Mund zu heben. Die Schlachtgesänge waren verstummt, und nur vereinzelt tönte ein frustriertes Brüllen durch die Straßen. Wie die Schmerzensschreie von Gnus, deren Herde gerade von Löwen überrannt worden war.
Zwei zu null hatten ihre Fußballhelden gegen Esbjerg verloren. Nach vierzehn Heimsiegen eine Niederlage gegen
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