Erlösung
so ziemlich alles geben. Ich war aber noch nie ein Freund davon, anderen Leuten vorzuschreiben, was sie tun oder lassen sollen. Oder noch schlimmer, zu sagen, was sie fühlen müssen.“
„Kommt das auch von deinem Vater?“
„Nein“, sie grinste, „das ist von mir.“ Liz stand wieder auf. „Ich bin froh zu sehen, dass es dir gut geht. Wir müssen jetzt gehen.“
„Warte“, Ashton griff nach ihrer Hand und sie hätte ausweichen können, doch sie ließ es zu. Er zuckte abrupt zurück, als er ihre Haut berührte. „Wow, hast du kalte Hände.“ Er rieb sich seine Finger, als könnte er so das Eis abschütteln, das seinen Körper bedeckt hatte.
„Du weißt es vielleicht nicht, aber es ist schon Winter draußen“, Lesley verzog keine Miene. Oder hatte sie ihm gerade zugezwinkert?
„Gehörst du zu meiner Familie?“, fragte Richard plötzlich. „Ich meine, irgend jemanden muss ich doch haben, oder? Bisher weiß ich nur von meiner Schwester. Ich glaube die Ärzte verschweigen mir da noch so Einiges.“ Ashton deutete mit dem Kopf zu mir. „Und er? Der schweigsame Fremde oder ist er mein verschollener Sohn.“ Er lachte freudlos.
„Nicholas ist mein Freund und ja, ich gehöre zur Familie. Die Ärzte verschweigen dir nichts, aber man hält es für besser, dich langsam an diese Situation zu gewöhnen. Man will dich sicherlich nicht überfordern.“
„Aber ihr seid trotzdem hier…“
„Wir sind auf der Durchreise, da dachten wir, es wäre eine gute Idee vorbei zu kommen“, meldete ich mich zu Wort. Ich kam mir ohnehin fehl am Platz vor, aber ich wollte nicht total ignorant wirken.
Mein Engel nickte zustimmend. „Die Zeit drängt leider, wir müssen weiter.“ Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich schlagartig, sie schien mit einem Mal traurig zu sein. „Halt dich an deine Schwester, Theresa, sie bringt dich wieder auf Kurs.“ Lesley war schon dabei, zu gehen. Plötzlich wirkte alles ziemlich übereilt.
Ich sprang vom Sitz hoch. „Engel?“ Ihr kurzer Blick streifte mich und ich erkannte, dass es wirklich besser war, nun aufzubrechen. „Es hat mich gefreut, Sir“, verabschiedete ich mich kurz, aber höflich. Ashton sah mich zwar nicht an, doch er nickte. Er sah Liz stumm hinterher, die sich garantiert dazu zwang, nicht unmenschlich zu wirken. Vermutlich wäre sie lieber hinaus gestürmt und zwar in Vampirgeschwindigkeit. Als wir draußen auf dem Gang standen und ich die Tür hinter uns geschlossen hatte, stieß sie einen leisen, aber scharfen Seufzer aus.
„Das war keine gute Idee…“
Ich nahm ihre Hand in meine. „Doch, du hättest dich sonst irgendwann gefragt, ob es nicht besser gewesen wäre, Lebewohl zu sagen. Glaub´ mir, das war die richtige Entscheidung. Etwas, das viele von uns nie hatten oder haben werden.“
Sie strich sich eine Strähne aus der Stirn und ihre Gesichtszüge wirkten sofort entspannter. „Ich liebe Dich“, hauchte sie.
Meine Antwort war ein sanfter Kuss auf ihre weichen Lippen. „Lass uns gehen.“ Wir durchquerten den Flur und ehe wir die Haustür erreichten, streckte Newton seinen Kopf aus der Küche.
„Möchten Sie Kaffee oder Tee? Oder kann ich Ihnen etwas Anderes bringen?“
„Nein, danke, Newton. Wir müssen weiter.“
Er sah Lesley verwundert an. „Ich dachte, Sie bleiben?“
„Ich denke, dass meine Tante ihm helfen wird, ins Leben zurück zu finden. Sie ist ein besserer Stützpfeiler als ich es je sein könnte. Ich bin gekommen um Abschied zu nehmen, Newton, denn ich werde nicht mehr wieder kommen. Sie wissen inzwischen, dass ich todkrank bin und der Krebs ist nicht mehr aufzuhalten. Ich will nicht, dass mich mein Vater neu kennen lernt, nur um mich dann so bald wieder verlieren zu müssen. So hat er keinen wirklichen Verlustschmerz, weil ich in seinem neuen Dasein nicht als seine Tochter existieren werde.“ Die Worte schienen völlig rational, dennoch steckten Teile von Mitgefühl und auch Kummer in ihnen. Mehr als ich erwartet hatte. Und ganz bestimmt mehr als sie jemals gedacht hätte. Ich erwartete, sie würde Newton plötzlich umarmen, doch sie legte ihm nur ihre Hand auf die Schulter. Ich hoffte, dass sie es so vorsichtig wie möglich tat, denn ihre unmenschliche Kraft konnte er sonst schnell zu spüren bekommen.
„Passen Sie gut auf ihn auf, ja.“ Keine Frage, sie schien ihm blind zu vertrauen. „Und achten Sie auch auf sich, in Ordnung?“ Sie schenkte ihm ein freundliches Lächeln, das nur schwer die Wehmut verbergen konnte.
Er
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