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Erloschen

Erloschen

Titel: Erloschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Kava
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Schussverletzung lag vier Monate zurück. Das Feuer hatte Assoziationen geweckt, die sie vorübergehend aus der Bahn warfen. Mehr nicht. Aber dieser kleine Ausrutscher würde Kunze genügen, um sie zum Psychotest zu verdonnern.
    Soll er ruhig.
    Die Psychologen würden nichts finden. Maggie hatte selbst einen Abschluss in Psychologie, daher wusste sie, wonach sie suchten, und würde es ihnen eben nicht liefern.
    In dem Moment bemerkte sie, dass sie die Nadel spürte, als der Arzt sie durch ihre Haut schob. Die örtliche Betäubung wirkte nicht richtig. Maggie biss die Zähne zusammen und behielt die Augen geschlossen. Dieser Schmerz – das Piken der Nadel, die durch ihre Kopfhaut glitt, das Schaben des Fadens – war nichts. Sie wollte nur, dass es vorbei war und zurück zum Tatort. Hier wurde sie bloß unnötig aufgehalten.
    Als sie fertig waren, verließ der Arzt leise den Untersuchungsraum. Die Krankenschwester sagte Maggie, sie müsste noch einige Formulare unterschreiben, und ging ebenfalls. Sie war schon eine Weile weg, da öffnete sich die Tür wieder.
    Benjamin Platt trug seine Galauniform, die Mütze unter dem Arm, und er hatte den Gang eines Soldaten, der schreckliche Nachrichten bringt. Seine Miene war um nichts besser. Eine steile Sorgenfalte grub sich zwischen seine Brauen.
    »Bist du okay?«, fragte er beinahe flüsternd.
    »Ich fasse nicht, dass Tully dich angerufen hat.«
    »Es war nicht Tully.«
    »Racine?«
    »Mir wäre lieber, du hättest mich angerufen.«

14
    »Das ist merkwürdig«, sagte Stan Wenhoff, der Leiter der Gerichtsmedizin.
    Tully starrte den geschwärzten Schädel an. Auf den ersten Blick war in dem Trümmerhaufen gar keine Leiche auszumachen. Vorsichtig trat er ein paar Schritte näher. Irgendwie hatte er bei diesem Brandort das Gefühl, der Boden – oder was von ihm übrig war – könnte sich selbst jetzt noch durch die Sohlen seiner Schuhe brennen.
    Ein beißender Gestank von Rauch und Asche hing in der Luft. Wasser und Löschschaum tropften von den wenigen intakten Stahlträgern, die von der Decke noch übrig waren. Er wünschte, er hätte sich eine Baseball-Kappe aufgesetzt. Stan hatte einen Regenschirm dabei, womit er ziemlich albern wirkte, wie ein vornehmer Engländer auf einem Landspaziergang, der sich in eine Brandruine verirrt hatte. Natürlich nur, wenn man für einen Moment vergaß, dass englische Gentlemen keine Tyvek-Overalls trugen.
    Etwas Nasses, Festes plumpste Tully in den Nacken. Er griff nach dem Putzbrocken und warf ihn beiseite. Das trug ihm einige böse Blicke von Ivan und dem Brandmeister ein. Sie hatten ihre Arbeit unterbrochen, weil sie mithören wollten, was Stan zu ihrer neuesten »merkwür digen« Entdeckung zu sagen hatte.
    Der Schädel sah aus, als hätte jemand mit einem faustgroßen Stein ein Loch in seine Spitze hineingeschlagen. Die Feuerwehrermittler hatten gerade erst angefangen, den qualmenden Schutt in die rillenförmigen Vertiefun gen des Estrichbodens zu harken, wo sie ihn später durch sehen und untersuchen würden.
    »Sie müssen sich einen Schädel wie einen versiegelten Behälter vorstellen«, erklärte Stan seinem Publikum. Von dem Geplätscher des Regens auf seinem Schirm ließ er sich nicht stören. »Wie ein mit Flüssigkeit gefülltes Keramikgefäß. Erhitzt man es, dauert es nicht lange, bis die Flüssigkeit drinnen den Siedepunkt erreicht. Und das erzeugt Druck.«
    Während Tully sich ein berstendes Keramikgefäß vorstellte, kam Stan schon wieder von seinem Vergleich ab. »Das Kranium explodiert. Kochendes Blut, Hirnmasse und Gewebe dehnen sich aus und können nirgendwo hin. Der Schädel wird buchstäblich gesprengt. Manchmal reißt es den ganzen Kopf vom Körper.«
    »Das Feuer war sehr heiß«, bestätigte der Brandmeister. »Wir haben hier Temperaturen von weit über 500 Grad erreicht, was bedeutet, dass nachgeholfen wurde. Zweifelsfrei war ein Brandbeschleuniger im Spiel, und es könnte zu einer chemischen Reaktion gekommen sein. Wir haben den Brandherd an der Hintertür gefunden. Genauer gesagt, draußen vor der Hintertür.«
    Weiterhin sahen alle zu dem Schutthaufen, als rechneten sie damit, dass noch mehr Knochen auftauchten, ähnlich jenen Bilderrätseln, bei denen man lange und genau hinsehen muss, um immer mehr versteckte Objekte zu entdecken.
    »Bei so großer Hitze kocht auch das übrige Blut im Körper«, sagte Stan. »Es baut sich derselbe Druck wie im Schädel auf, was Knochenfrakturen und Splitterungen zur Folge

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