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Erloschen

Erloschen

Titel: Erloschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Kava
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Frage brachte, wieso Kunze bei diesem Fall gleich beide Profiler ins Rennen schickte. Wem schuldete er jetzt etwas? Bei wem wollte er sich anbiedern? Hatte er schon letzte Woche geahnt, dass der Fall eine brutale Wendung nehmen würde?
    »Hey, Tully, Racine«, unterbrach Ivans Ruf seine Gedanken. Er winkte die beiden zum Eingang der Gasse. »Drinnen haben wir noch einen für Sie gefunden.«

13
    Maggie bereute ihre Entscheidung.
    Eine Schwester hatte in ihren Wunden herumgestochert, sie gesäubert und verbunden, wobei sie mehrmals ein »O-oh« vor sich hinmurmelte. Anschließend wies sie Maggie an, sich das sterile Tuch an den Hinterkopf zu drücken.
    »Und nicht wegnehmen, weil Sie gucken wollen«, warnte die Krankenschwester.
    Kaum war sie aus der Tür, nahm Maggie das Tuch weg und guckte. Es war so viel Blut auf dem Tuch, dass es aussah, als hätte jemand damit eine Pfütze aufgewischt. Sie befühlte die Wunden, die eben von der Schwester gesäubert worden waren. Die in ihrem Nacken müsste genäht werden; die anderen waren nur kleine Kratzer. Kopfwunden bluteten immer sehr stark. Das hatte nichts zu bedeuten. Und keine von ihnen lohnte eine Fahrt in die Notaufnahme. Dem Kerl, der neben ihr im Wartebereich saß, hing die halbe Unterlippe lose herunter. Er hatte wahrlich einen Grund, hier zu sein.
    Maggie hatte eine ganze Weile gewartet und sich unter den anderen Patienten nach Brandwunden, vor allem an den Händen, umgesehen. Manchmal machten Kriminelle Fehler, verletzten sich und liefen blindlings in die Klinik. Schussverletzungen oder Stichwunden mussten der Polizei gemeldet werden, aber für Verbrennungen ließen sich leicht Geschichten erfinden. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Brandstifter in einer Notauf nahme saß, während das Feuer, das er gelegt hatte, noch schwelte.
    Nun überlegte Maggie, aufzustehen und den Untersuchungsraum zu verlassen, um sich auch die anderen Patienten anzusehen. Wenigstens würde sie so etwas Sinnvolles tun. Merkte es jemand, wenn sie ging? Hier war der Teufel los. Weil sie zur Polizei gehörte, hatte man sie gleich nach oben auf die Liste gesetzt; allerdings bestand sie darauf, dass man den Mann mit der halben Lippe vor ihr behandelte.
    Sie rutschte an den Rand der Untersuchungsliege und wollte gerade herunterhüpfen, als die Tür aufging.
    »Ich bin Dr. Dabu. Sind Sie O’Dell, Margaret?«
    Der Mann war klein, hatte einen indischen Akzent und sah zu jung aus, um ein Assistenzarzt zu sein, geschweige denn ein richtiger Arzt.
    »Ja. Eigentlich Maggie.«
    Er blickte sie über seinen Tablet-Computer hinweg an, dann wieder auf den Bildschirm, als wollte er überprüfen, dass sich der Name nicht geändert hatte.
    »Explosion, ja?«, fragte er mit dem Eifer eines Quizteilnehmers.
    »Richtig.«
    »Und wir müssen nähen?«
    Wir müssen unseren Kopf untersuchen lassen, wollte sie ihm antworten, nickte aber nur.
    Auf einmal hatte sie wieder einen Knoten im Bauch. Ihr wurde bewusst, dass sie Kunzes psychologische Evaluation nicht länger aufschieben konnte. Und sie war nicht sicher, was schlimmer war: sich anzuhören, wie ihre Karriere in Psychogebrabbel wiedergekäut wurde, oder J. R. Tullys sorgenvolle Miene zu sehen.
    Sie achtete nicht auf Dr. Dabu, der sein Nähbesteck bereitlegte. Im nächsten Moment fühlte sie, wie die Nadel in ihren Nacken pikte. Die Schwester war wiedergekommen, um zu assistieren, und Maggie blendete das Gespräch der beiden einfach aus. Keiner befragte sie wegen ihrer verschwommenen Sicht oder dem Presslufthammer in ihrer Schläfe. Hatte sie es gegenüber dem Sanitäter erwähnt, der ihr mit seiner Taschenlampe in die Augen geleuchtet hatte? Er hatte ihr eine Liste von Fragen gestellt, doch Maggie erinnerte sich an keine einzige, ebenso wenig an ihre Antworten.
    Das Einzige, woran sie sich erinnerte, war Tullys Gesicht und die Panik in seiner Stimme, als er sagte, dass er auch nicht glaubte, ihr ginge es gut.
    Es lag an dem Feuer, den Flammen und der Hitze. Alles erinnerte sie zu stark an den Schuss. Sie schloss die Augen. Irgendwann würde es ihr besser gehen. Es brauchte nur Zeit. Geduld war noch nie ihre Stärke gewesen. Sie hasste es, sich hilflos zu fühlen. Aber keine Kontrolle über ihren Körper zu haben …
    Keiner musste wissen, wie desorientiert sie am Brandort tatsächlich gewesen war. Sie musste niemandem von den verschwommenen Bildern oder dem Geruch erzählen, die mit ihrer Erinnerung an den Gestank verbrannten Fleisches verschmolzen.
    Ihre

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