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Erloschen

Erloschen

Titel: Erloschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Kava
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dessen Markenzeichen es war, Teile seiner Opfer in Lieferservice-Kartons zu verstecken und auf Café-Tischen, Raststättentresen und Zimmerservice-Wagen von Hotels zu deponieren, damit sie auch schnell gefunden wurden.
    Doch Ganza konnte offenbar ihre Gedanken lesen. »Hoffen wir, dass wir hier keinen Psycho vom Kaliber Kempers haben.«

39
    Sam sagte sich, dass es keine Lüge war, was sie Special Agent R. J. Tully erzählt hatte. Sie hatte lediglich die Wahr heit ausgelassen.
    Himmel, Jeffery hatte ihr wahrlich einige schlechte Angewohnheiten anerzogen! Er bezeichnete sie als Über lebenstaktiken. Bei den Aufträgen und den Arschlöchern, mit denen sie tagtäglich konfrontiert waren, war gut lügen zu können ein Vorteil, kein Charakterfehler.
    Sam hatte angedeutet, dass Jeffery und sie bereits im Lagerhausviertel gewesen waren, als das Feuer ausbrach. In Wahrheit aber war Sam schon Stunden zuvor nach Hause gefahren. Sie hatte ihren Sohn zu Bett gebracht und eine Tasse Tee mit ihrer Mutter getrunken. Als Jefferys Anruf kam, hatte sie tief und fest geschlafen.
    Jetzt versuchte sie, sich zu erinnern, ob er ihr erzählt hatte, wie er von dem Brand erfahren hatte. Gewöhnlich fragte sie nicht nach. Der Mann hatte mehr Kontakte und Informanten als die CIA . Sie nahm schlicht an, dass er einen Tipp bekommen hatte.
    Obwohl sie Agent Tuller erzählt hatte, dass Jeffery den Polizeifunk mithörte – was er auch tat –, wusste sie, dass er auf dem Wege unmöglich von dem Feuer erfahren ha ben konnte. Vielmehr glaubte sie, dass Polizei oder Feuer wehr noch gar nicht verständigt worden waren, als sie mit Jeffery dort eintraf. Was ihr Filmmaterial zu bestäti gen schien. Die Obdachlosen kamen ja eben erst aus ihren Pappkartons und ihren warmen Ecken gestolpert.
    Woher also wusste Jeffery so früh Bescheid?
    Eigentlich war es Sam egal. Nein, sie wollte es lieber nicht wissen. Ebenso wenig, wie sie mit Jefferys Entscheidung bei dieser Geschichte von Otis P. Dodd zu tun haben wollte. Es ging sie nichts an. Sie musste sich auf ihren Job konzentrieren, den sie liebte und behalten wollte. Sam war der Ansicht, dass Jeffery ihr half, ihrer Familie ein Dach über dem Kopf und Essen auf dem Tisch zu bieten. Mehr brauchte sie nicht zu kümmern. Jeffery sicherte ihren Lebensunterhalt. Mehr noch, er sorgte dafür, dass sie kleine Boni bekam, die sie für ihren Sohn ansparte. Wenn alles wie geplant weiterlief, müsste Ignacio sich nie so abrackern wie Sam und ihre Mutter in den ganzen Jahren ohne Sams Dad.
    Ihr war bewusst, dass ihr Erfolg und ihre finanzielle Sicherheit von Jeffery Coles Einschaltquoten abhingen. Er war einer der bestbezahlten Enthüllungsreporter des Landes und würde noch berühmter werden, wenn Big Mac ihm eine eigene Sendung gab. Wenn es also bisweilen ein bisschen bizarr wurde, erinnerte Sam sich, dass sie sich an seinen aufgehenden Stern hängen und zum Mitmachen bereit sein musste. Vielleicht hatte ihre Mutter recht. Vielleicht hatte sie ihre Seele an den Teufel verkauft.
    Sie bog von der Interstate 66 und fand problemlos den Diner, in dem sie Jeffery treffen sollte. Soweit sie es beurteilen konnte, waren sie nicht mal in der Nähe des Or tes, an dem ihr nächstes Interview stattfinden sollte. Doch anstatt Fragen zu stellen, folgte sie Jefferys Anweisungen.
    Manchmal aß er gerne in abgelegenen Lokalen. Ein mal waren sie bis ins ländliche Virginia gefahren, zu einer schäbigen Zweizimmerhütte an einem Fluss. In dem einen Zimmer verkauften sie Köder und Angelgerät, in dem anderen servierten sie einen der besten langsam gegrillten Nackenbraten, die Sam jemals gegessen hatte. Es hatte auch schon Ausflüge gegeben, bei deren Erinnerung Sam bis heute schlecht wurde; beispielsweise zur Bambushütte in Jinja, Uganda, mit Blick auf den Victoria see. Nie wieder würde sie sich von irgendwem überreden lassen, Affenfleisch zu essen.
    Der Diner hier sah ein bisschen zu durchschnittlich für Jefferys Geschmack aus. Sam suchte sich einen Fenstertisch und wartete.
    Als Jeffery ankam, war sein Gesicht gerötet und sein Hemd verknittert. Die Ärmel hatte er nach oben geschoben, statt sie ordentlich aufzukrempeln. Er musste seinen Schlips und das Sakko im Wagen gelassen haben, obwohl es ein bisschen kühl war. Zudem wirkte er außer Atem.
    »Alles okay?«
    Er setzte sich ihr gegenüber hin und griff sofort nach der Karte.
    »Klar, alles gut. Warum auch nicht?«
    Er rückte seinen Stuhl zurecht, wobei die Beine laut über den

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