Erloschen
der Gasse oder am eigentlichen Tatort eingefangen hat?«
»Ich bin mir sicher, dass es nicht aus der Gasse stammt. Dieses Tier war höchstwahrscheinlich nicht mitten in der Stadt.«
»Müllcontainer locken Wildtiere an – Waschbären, Rat ten, Opossums.«
»Aber keine Rehe.«
Für einen Moment starrte Maggie ihn verwirrt an. Beinahe wartete sie darauf, dass er »War nur ein Witz« sagte. Nur machte Ganza keine Witze, wenn es um Beweismaterial ging. Sie blickte wieder ins Mikroskop.
»Sind Sie sicher?«
»Ja, bin ich. Die Schuppenmuster erlauben eine eindeutige Zuordnung. Und ich hatte mehrere Proben, die ich untersuchen konnte. Sie alle waren bewurzelt, was aus schließt, dass sie von einem Pelzmantel stammen. Pelze, die zu Kleidung verarbeitet werden, sind geschnitten und meist auch gebleicht. Diese Haare weisen sämtliche Merk male eines natürlichen Ausfalls auf, wahrscheinlich ein klassischer Fellwechsel.«
Die Mikrowelle piepte, und Ganza sah nach der La sagne. Kaum öffnete er die Mikrowellenklappe, wehte ein aromatischer Duft nach Knoblauch und Tomatensauce durchs Labor, und Maggie lief das Wasser im Mund zu sammen. Ganza ging einige andere Objektträger auf dem Arbeitstisch durch und brachte einen hinüber zu Maggie, wo er ihn gegen den mit dem Rehhaar austauschte.
»Das war auch in den Kleiderfalten.«
Maggie betrachtete einen fedrigen gelben Samen mit grünlichem Muster.
»Centaurea diffusa«, sagte Ganza. »Die gemeine Sparrige Flockenblume.«
»Wissen Sie, wo die wächst?«
»Wild nur im Mittelwesten.«
»Das ist ein verdammt großes Gebiet und ziemlich weit entfernt von hier. Sind Sie sicher? Könnte jemand sie hier in der Nähe ziehen, im Garten vielleicht?«
»Das wäre ein Gesetzesverstoß.«
»Es ist eine Blume!«
»Genau genommen ein Wildgras, das auf dem Index für schädliche Gräser steht. Invasive Pflanzen einzuschleppen ist strafbar.«
»Okay, und von wo im Mittelwesten kann die her sein?«
»Sie wächst dort am Straßenrand, auf Feldern oder Wiesen. Sie wissen schon, überall, wo sich Rehe herumtreiben.« Er grinste.
»Warum tötet er sie irgendwo im Mittelwesten und karrt ihre Leiche quer durchs Land, um sie in einer Gasse in Washington abzulegen?«
»Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Mörder mit einer Leiche im Kofferraum herumfährt. Wir beide wissen, was für abwegige Dinge diese Leute tun. Denken Sie an Edmund Kemper, der einen abgetrennten Kopf in seinem Wagen hatte, als er sich mit zwei staatlichen Psychiatern traf, die ihn nach dem Gespräch als ›ungefährlich‹ einstuften und laufen ließen.«
Maggie holte die Autopsie-Fotos hervor, die Stan ihr mitzunehmen erlaubt hatte. Sie blätterte die Bilder durch, bis sie das mit dem Gitterabdruck auf der Toten fand. Das reichte sie Ganza.
»Ich dachte, dass dieser Abdruck von einem Bodengitter in einer Straße stammen könnte«, sagte sie. »Aber jetzt frage ich mich, ob er auch von der Fußmatte in einem Truck oder SUV sein kann.«
Ganza nahm das Bild und ging zu einem Arbeitstre sen, wo er es unter ein Vergrößerungsglas schob. Er schal tete eine Lampe darüber an und untersuchte das Bild, wobei seine Nasenspitze beinahe das Glas berührte.
»Darf ich das einen Tag lang behalten?«
Maggie guckte durch das Vergrößerungsglas. »Sehen Sie irgendwas?«
»Ich würde es gerne im Computer einscannen und vergrößern. Manchmal haben solche Matten ein eingedrucktes Etikett.«
Maggie dachte an das, was Ganza über Edmund Kemper gesagt hatte. Kemper war ein Lehrbuchfall, und jeder Profiler hoffte, es niemals mit solch einem Täter zu tun zu bekommen. Der Hüne von einem Mann, bekannt als »Studentenmörder«, hatte mit fünfzehn seine Großeltern umgebracht. Danach trieb er sich in der Nähe von Universitäten in der Umgebung von Santa Cruz herum, wo er insgesamt sechs Tramperinnen mitnahm, sie ermordete und verstümmelte. Erst nachdem er seine Mutter und deren Freundin getötet hatte, stellte er sich selbst der Polizei.
Sie sah in dem Augenblick zu Ganza, in dem er aufschaute. Anscheinend machte ihn etwas an ihrem Gesichtsausdruck stutzig, denn er runzelte die Stirn und fragte: »Was ist?«
Maggie schüttelte den Kopf. »Nichts.« Sie fröstelte bei dem Gedanken an das zerschlagene Gesicht der Toten. »Ich dachte nur gerade an Edmund Kemper. Hat er nicht seine schlafende Mutter mit einem Tischlerhammer erschlagen?«
Was sie nicht sagte, war, dass sie auch an Albert Stucky dachte, einen weiteren Serienmörder,
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