Erloschen
seine leere Gabel in die Höhe wie einen Dirigentenstab, als könnte er so das richtige Wort heraufbeschwören. »Trucker-Schwalben. Die bilden eine richtige Subkultur auf den Rastplätzen und Autohöfen. Angeblich kriegen die normalen Reisenden nichts von ihnen mit, aber die Fernfahrer können sie sich über eine bestimmte Funkfrequenz bestellen, genauso wie Drogen oder sonst was, und das zu jeder Tages- und Nachtzeit.«
Er stach noch ein Stück von seiner Lasagne ab und steckte es sich in den Mund.
»Und woher wissen Sie das?«
»Ich habe in der USA Today davon gelesen.« Ganza kaute lächelnd. »Und ich arbeite mit ViCAP an der bundesweiten Erfassung aller Highway-Morde.«
ViCAP war eine Datenbank, in der alle Gewaltverbre cher erfasst wurden, und mittlerweile zu einer unverzicht baren Informationsquelle für die Strafverfolgungsbehörden geworden. Jeder Ermittler im Lande hatte Zugriff auf die Daten und konnte selbst welche einstellen, um ähnliche Tatmuster zu finden.
Das Programm für Highway-Verbrechen wurde 2009 gegründet, weil über fünfhundert Mordopfer neben oder auf Autobahnen, an Raststätten oder auf Autohöfen gefunden worden waren. Maggie wusste auch nur, was darüber in den Zeitungen gestanden hatte, obwohl es sich um ein FBI -Programm handelte.
»Mich wundert, dass Kunze Sie nicht in die Spezialeinheit gesteckt hat«, sagte Ganza. »Es passt doch eigentlich perfekt – unmöglich zu lösen, unmöglich, ein Profil zu erstellen. Normalerweise lässt er Sie doch am liebsten auf solche Fälle los.«
Es behagte Maggie nicht, dass so viele ihrer Kollegen darüber im Bilde waren, was Kunze mit ihr machte. Prompt fiel ihr ein, wozu er sie neuerdings verdonnert hatte, und sie sah auf ihre Uhr. Sie musste zurück nach Washington zu dieser dämlichen psychologischen Evaluation.
»Sie scheinen überzeugt, dass er das Opfer unterwegs an der Interstate im Mittelwesten aufgegriffen hat.«
Ganza rieb sich das lange schmale Kinn. »Oder in der Nähe der Interstate. Ich habe übrigens die Treibstoffanalyse. Erinnern Sie sich, dass ich Ihnen sagte, wie genau uns der Gaschromatograph die chemische Zusammensetzung geben kann?«
»Ja, wie eine Blaupause.«
»In diesem Fall ist es eher wie ein Fingerabdruck.«
»Was heißt das? Können Sie uns sagen, von welcher Ölfirma der Diesel kam?«
»Besser. Ich kann Ihnen die Tankstelle sagen, an der er getankt hat.«
»Na, dann rate ich mal. Sie liegt an der Interstate.«
Ganza nickte. Gleichzeitig klingelte Maggies Handy. Es war Racine. Sie konnte auf keinen Fall schon die Identität des Opfers herausgefunden haben.
»Bist du noch in Quantico?«, fragte Racine.
»Ja, ich wollte mich gerade auf den Rückweg machen.«
»Wie es aussieht, hat er den Fluss überquert.«
»Es ist mitten am Tag.«
»Bei Fort Myers an der Interstate 66. Du müsstest den Rauch von der Autobahn aus sehen können. Dort ist mittlerweile ein Stau.«
»Wie groß ist die Chance, dass es unser Brandstif ter ist?«
»Zwei einzelne Brände, drei Blocks auseinander und binnen ungefähr einer halben Stunde.«
»Ja, das klingt nach unserem Täter«, stimmte Maggie ihr zu.
»Mit einem Unterschied. Diesmal sind es keine Lagerhäuser. Und es könnte Opfer geben.«
»Was hat er denn jetzt angezündet?«
»Zwei Kirchen.«
41
Tully ließ Abe Nadira das letzte Bild des Mannes mit dem roten Rucksack ausdrucken, bevor er aus dem Kamera feld verschwand. Und er erhielt auch einen Ausdruck von seinem Gesicht. Der Zoom hatte seine Züge auf schattige Pixel reduziert. Ein kurzer Bart und Zottelhaar waren alles, was man erkennen konnte. Augen, Mund und Nase waren ein grauschwarzer Brei.
Mehrere Brandermittler und Kriminaltechniker arbeiteten noch in den Trümmern. Gelbes Absperrband war im weiten Umkreis gespannt, trotzdem waren keine acht undvierzig Stunden nach dem Brand ein paar Obdachlose unter der Absperrung durchgekrochen und hatten sich im Schutz der neuen Container und der Geräte, die hergeschafft worden waren, häuslich eingerichtet.
Tully war weder wegen der Gasse noch wegen dem Container wieder hergekommen. Er suchte die Stelle, an der Samantha Ramirez beim Dreh gestanden hatte, und nahm das Foto in die Hand. Auf dem Asphalt glitzerten kleine Glasscherben. Der meiste Schutt – die großen Teile – war zusammengekehrt und durchgesehen wor den. Kleine Haufen verunstalteten den Gehsteig, denn hier nutzten die Ermittler den sauberen Beton als Sortierfläche.
Tully hob das Foto hoch, das
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