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Erloschen

Erloschen

Titel: Erloschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Kava
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kreischenden Rauchmelder mit einem Besenstiel abzuschalten. Nur verfehlte sie ihn dauernd und traf stattdessen die Wand. Sams Sohn stand in der Küchenecke, hielt sich die Ohren zu und lachte über seine Nanna, während Qualm aus dem Ofen waberte. Wäre Sam nicht klatschnass und nur im Bademantel gewesen und hätte ihr Herz nicht so wild gehämmert, sie hätte vielleicht auch gelacht. Ihre Mutter sah aus, als versuchte sie, eine Piñata herunterzuschlagen.
    »Das ist nicht witzig«, sagte Sam zu ihrem Sohn. Ihr fiel auf, dass ihr Tonfall dem ihrer Mutter unangenehm ähnlich war. Sie legte einen Arm um die Taille ihrer Mutter, um sie vom Stuhl zu heben. »Momma, lass es.«
    »Das ist so laut!«
    »Wir lüften, dann zieht der Rauch ab, und es hört auf.«
    Ihre Mutter wirkte wenig überzeugt, ließ sich aber vom Stuhl helfen.
    »Was ist passiert?«
    »Wir haben ferngesehen«, gestand Iggy, der nicht mehr lachte und zu seiner Nanna guckte. Er wusste nicht so recht, ob er verraten sollte, was passiert war.
    Die beiden standen sich sehr nahe, was nur natürlich war, denn sie hatten die letzten Jahre viel Zeit zusammen verbracht, während Sam mit Jeffery durch die Weltgeschichte gedüst war. Manchmal überkam sie ein biss chen Neid auf diese Nähe. Wie jetzt, als Iggy seine Großmutter in Schutz nehmen wollte, obwohl das ganze Haus nach verbrannten Keksen roch.
    Sam öffnete das Fenster. Kalte Luft strömte herein, aber wenigstens zogen auch der Qualm und Gestank nach draußen.
    »Ist schon okay«, sagte sie zu den beiden, nachdem der Rauchmelder endlich wieder verstummt war.
    Ihre Mutter zog das Backblech aus dem Ofen und schüttelte den Kopf. »Was für eine Verschwendung.«
    »Lass nur«, sagte Sam. »Ich lade euch beide zum Essen ein.«
    Sie sahen sie an, als würde sie Chinesisch reden, und ihr wurde bewusst, dass sie sich nicht daran erinnern konnte, wann sie zuletzt zum Essen ausgegangen waren.
    »Und ich bestimme das Restaurant.«
    Iggy und seine Nanna wechselten fragende Blicke.
    »Na los, geht euch waschen, und macht euch richtig schick!«, befahl Sam ihnen schmunzelnd.
    Sam war vor ihnen fertig. Sie hatte einen Rock angezogen, den sie seit Jahren nicht mehr getragen hatte, dazu einen langen Pulli und hohe Stiefel. Als ihre Mutter in einem bordeauxroten Strickkleid und einem Schal mit Pfauenaugenmuster, den Sam ihr aus Italien mit gebracht hatte, nach unten kam, erkannte Sam sie kaum wieder.
    »Ist das gut so?«, fragte ihre Mutter ein bisschen ängst lich.
    Sam küsste sie auf die Wange. »Wunderschön.«
    Ihre strenge, oft mürrische Mutter wurde rot wie ein Teenager.
    Sam wollte nach Iggy sehen, ob er Hilfe brauchte, aber ihre Mutter hielt sie zurück. »Lass ihn. Er kommt zurecht. Er will ein großer Junge sein.«
    Bald darauf kam Iggy sehr vorsichtig die Treppe herunter, als traute er den Lederschuhen nicht recht, die er nur selten trug. Sam musste schlucken, was leider nicht gegen den Kloß in ihrem Hals half. Mit seiner Stoffhose, dem weißen Hemd und den roten Hosenträgern – passend zur roten Fliege – sah er wie ein kleiner Gentleman aus.
    »Ich binde ihm die Fliege«, sagte ihre Mutter und scheuchte Sam beiseite.
    Sams Handy klingelte, und alle drei erstarrten wie die Salzsäulen. Die zwei Menschen, die Sam die liebsten auf der Welt waren, sahen sie für einen Sekundenbruchteil ängstlich an, bevor ihre Mienen einen Ausdruck von routinierter Resignation annahmen.
    Sam blickte aufs Display, obgleich sie wusste, dass es nur Jeffery sein konnte. Sie schloss die Augen und atmete tief durch. In all den Jahren als seine Kamerafrau war sie immer für ihn da gewesen. Ohne ihre Kamera war Jeffery bloß ein Reporter von vielen, doch wenn er wollte, konnte er sie noch heute im Handumdrehen ersetzen.
    Natürlich würde sich keiner so viel von ihm gefallen lassen wie sie, zumindest nicht über längere Zeit. Sam und Jeffery waren wie ein altes Ehepaar, hatten gelernt, die Macken des anderen zu ignorieren und die guten Seiten wie die schlechten hinzunehmen. Doch Sams Erfahrung in Sachen Ehe und Beziehungen nach endete es gewöhnlich damit, dass einer von beiden mehr auszuhalten hatte als der andere. Und während sie die schlechten Seiten von Jeffery mehr oder minder stillschweigend ertrug, litt ihre Beziehung zu ihrer Mutter und ihrem Sohn.
    Sams Finger verweilte über dem klingelnden Apparat. Dann sah sie, wie Iggys Hände unter die Hosenträger tauchten, als wollte er sie wieder ablegen, und hob eine

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