Erloschen
Kaffee, behielt aber den Monitor im Auge. Einmal sah sie kurz auf ihre Uhr, und als sie danach wieder aufblickte, bemerkte sie, dass mehrere Schaulustige hinzugekommen waren. Kurz vor der zweiten Explosion hielt sie wieder an und ging näher ran, um sich die Leute anzusehen. Und plötzlich erkannte sie jemanden.
Sie griff so schnell zur Stopp-Taste, dass sie ihren Kaffee umstieß.
Was in aller Welt machte er denn da?
55
Maggie hörte zu, wie Dr. Ling Racine dieselben Informatio nen gab wie zuvor ihr. Nur wirkte Racine nicht unbedingt brennend interessiert. Maggie kannte Julia Racine gut genug, um zu wissen, dass sie irgendetwas beschäftigte. Racine war geduldig und höflich, fragte aber so gut wie nichts. Und als Dr. Ling den Schädel aus dem verbrannten Lagerhaus ansprach, wurde sie merklich un ruhig.
»Mit Sicherheit können Sie aber nicht sagen, dass er auf die gleiche Weise oder sogar mit derselben Waffe getötet wurde?«, fragte sie.
»Nein, das ist reine Spekulation. Obwohl die Frakturen oben und seitlich an der Schädeldecke ähnlich aussehen, da haben Sie recht. Trotzdem lässt das noch keinen zweifelsfreien Schluss zu.«
»Kann es sein, dass er während des Brands gestürzt ist und sich den Kopf angeschlagen hat?«
»Nein.« Dr. Ling schmunzelte. »Und wenn, hätte er sich auch noch selbst köpfen müssen.«
»Stan hat uns von dem Druck erzählt, der sich bei einem Feuer im Kopf aufbaut. Sie wissen schon, mit dem Blut und der Hirnmasse, die zu kochen anfangen.« Racine sah von Dr. Ling zu Maggie und zurück zu Dr. Ling, als wollte sie Maggie um Beistand bitten. »Dieser Druck kann einen Kopf buchstäblich vom Rumpf absprengen. Das hat Stan gesagt.«
»Möglich ist es«, entgegnete Dr. Ling. »Aber nicht in unserem Fall.«
Ling ging zu einem anderen Arbeitstresen, streifte sich auf dem Weg die Latexhandschuhe ab und zog neue über. Dann nahm sie vorsichtig den Schädel aus einer Schale, die für Maggie wie eine ganz gewöhnliche Auf laufform aussah. Ling brachte den Schädel zu Maggie und Racine.
»Ich habe ihn so gut gereinigt, wie ich konnte.« Sie drehte ihn mit der Unterseite nach oben. Seine Farbe war noch schlammig braun, doch man sah deutliche Bruchlinien. Ling zeigte auf die Unterkante. »Sehen Sie die Schnitte und Kratzer hier im Knochen? Gleich hier unten? Den hier? Ich nenne solche Spuren Zögermale. Er fing an zu schneiden und hat wieder aufgehört. Vielleicht klappte es mit dem Instrument nicht, das er benutzte, nicht so gut wie geplant. Hier und hier.«
Sie zeichnete die Kratzer mit dem Finger nach.
»Das Feuer hat sie ein bisschen stumpfer gemacht, aber es sind eindeutig Hackspuren, keine Schneidespuren.«
»Womit ein Unfall wohl ausscheidet«, sagte Racine hörbar enttäuscht. »Und was kann er nun benutzt haben?«
»Wenn man jemandem den Kopf abhacken will, muss das Instrument schwer und groß sein, um genügend Wucht zu entwickeln. Ich würde auf eine große Klingenwaffe tippen. Vielleicht eine Machete.«
Maggie beobachtete Racine. Es war nicht zu übersehen, dass Lings Informationen ihre Theorie zunichtegemacht hatten.
»Sie hatten vorhin gesagt, dass Gloria Dobsons Mörder zwischen den Schlägen nicht die Waffe gewechselt hat«, sagte Maggie. »Wäre es denkbar, dass dieses Opfer von jemand anderem getötet wurde? Möglicherweise zu einer anderen Zeit und an einem anderen Ort?«
»Der eingeschlagene Schädel ähnelt dem von Mrs. Dobson schon sehr.«
»Sie wurde aber nicht geköpft.« Racine schöpfte offenbar neue Hoffnung.
»Dr. Ling?«, rief ein großer junger Mann von der Tür herüber. »Eben ist die Sendung angekommen, auf die Sie gewartet haben.«
»Danke, Calvin. Ich bin gleich da.« Sie brachte den Schädel zur Schale zurück. »Würden Sie mich bitte entschuldigen? Ich brauche nur fünf, höchstens zehn Minuten.«
»Kein Problem.«
Ling war kaum zur Tür hinaus, als Maggie Racine am Ellbogen packte, ehe sie einen der Knochen anstupsen konnte, an denen noch Hirngewebe haftete. Die Geste hatte etwas von einer Mutter, die stumm ihr Kind zurechtwies.
»Was? Ich wollte nur wissen, wie sich so was anfühlt.«
»Hast du Neuigkeiten?«
Racine war offensichtlich nicht bereit, darüber zu reden, denn sie versuchte, das Thema zu wechseln. »Dieses Interview mit deiner Mutter gestern Abend, das war brutal.«
»Muss es wohl gewesen sein, denn sie quasselt mir schon den ganzen Morgen auf den Anrufbeantworter und die Mailbox. Und jetzt schweif nicht ab. Sag schon,
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