Erloschen
besser.«
Die Kamera bewegte sich von Maggie zu Racine, die aufgesprungen war und auf eine Gruppe von Leuten hinter dem Absperrband zulief, um ihnen zu helfen. Mehrere Menschen lagen noch am Boden. Die Kamera hielt kurz bei ihnen und fuhr dann weiter. Im Hintergrund konnte Maggie eine tiefe Stimme hören: Jeffery Cole, der die Szene Bild für Bild beschrieb. Ramirez hatte den Ton heruntergedreht.
Die Kamera wanderte ein Stück weiter zur Menge auf dem Gehweg gegenüber. Sie fuhr die Schaulustigen ab, bis Ramirez einen Knopf drückte und das Bild einfror. Nachdem sie ihre Kamera abgelegt hatte, ging sie zum Fernseher und baute sich links davon auf.
»Da.« Sie zeigte auf einen Mann inmitten der Schaulustigen, der die Hände in den Jackentaschen hatte und ausdruckslos zum Feuer sah. Das Bild war groß und scharf genug, um ihn deutlich zu erkennen, doch obwohl er Maggie vage bekannt vorkam, konnte sie ihn nicht einordnen.
Ramirez war anscheinend auch gar nicht an ihrer Reak tion interessiert, denn sie blickte Patrick an.
»Wer ist das?«, fragte Maggie.
»Wes Harper«, antwortete Patrick. »Mein Partner.«
Sofort horchte Maggie auf. Sie ging näher an den Fernseher und betrachtete Wes Harper.
»Wahrscheinlich hat es nichts zu sagen«, erklärte Patrick. »Er hat mir erzählt, dass er gerne bei Bränden zuguckt.«
»Zuguckt?«, wiederholte Sam. »Ist das nicht ein bisschen schräg?«
»Erzähl mir von ihm«, bat Maggie ihren Bruder, ohne die Augen vom Bildschirm abzuwenden.
»Ich kenne ihn nicht besonders gut.«
»Aber ihr verbringt viel Zeit zusammen. Ist er verheiratet?«
»Nein.«
Etwas an seinem »Nein« kam Maggie komisch vor, und sie sah zu Patrick hinüber. Er starrte ebenfalls auf den Bildschirm, allerdings mehr, um ihrem Blick auszuweichen.
»Was ist?«
»Er hat nach dir gefragt. Das war irgendwie komisch.«
»Weil ich FBI -Agentin bin?«
»Nein. Er wollte wissen, ob du verheiratet bist. Er ist ein Schürzenjäger.«
Es war ihm sichtlich unangenehm, mit ihr darüber zu reden.
»Was genau heißt das?«
Ramirez antwortete: »Es heißt, dass er mit jeder Frau ins Bett steigen will, die er sieht.«
»Hat er dich belästigt?«, fragte Patrick.
»Ich kann schon auf mich aufpassen.«
Maggie sah wieder den Mann auf dem Bildschirm an. Ramirez hatte Wes Harper sehr gut eingefangen. Während alle anderen um ihn herum geschockt und entsetzt wirkten – einer runzelte die Stirn, eine Frau hielt die Hand vor ihren Mund, ein anderer Mann stützte seine Hände auf die Knie –, stand Harper lässig da, die Hände in den Taschen. Seine Miene wirkte beinahe zufrieden.
Er musste in den Dreißigern sein, hatte ein kräftiges Kinn, eine breite Brust, war mittelgroß und muskulös. Er trug eine Stoffhose, keine Jeans, und eine auffällige Jacke. Maggie trat noch näher an den Bildschirm, um das Logo auf der Jackentasche zu erkennen.
»Ist das eine Clubjacke?«
»Ja, die liebt er über alles.« Patrick stellte sich neben sie. »Ich weiß nicht, wie oft er mir erzählt hat, dass der Werbeslogan des Herstellers von einer Kondomfirma geklaut wurde. Und jedes Mal lacht er sich schlapp darüber, so klasse findet er das.«
»Was für ein Slogan?«
Patrick wurde verlegen. »Anziehen und was erleben.«
»Hat er einen Abschluss in Brandbekämpfung?«
»Er hat das Studium angefangen, meinte aber, es wäre ihm zu lahm. Nach einem Jahr hat er abgebrochen.«
»Neulich Abend hat er Jeffery und mir erzählt, was Feuer mit einem menschlichen Körper anrichtet«, sagte Ramirez, und Maggie sah ihr an, dass sie sich ungern dar an erinnerte. »Er schien es richtig zu genießen, uns die schrecklichen Einzelheiten zu beschreiben. Und es klang beinahe so, als hätte er es schon mal gesehen und …«
»Und was?«, fragte Maggie.
»Und als hätte er es genossen.«
Maggie holte ihr Handy, während sie zu Patrick sagte: »Du musst mir alles erzählen, was dir zu Wes Harper einfällt.« Dann drückte sie die Kurzwahl für Racine.
»Hey, ich wollte dich auch gerade anrufen«, meldete sich Racine. »Die Virginia State Patrol hat Gloria Dobsons SUV gefunden.«
66
Virginia
Maggie stellte erstaunt fest, dass der Rastplatz an einen Wald grenzte. Hier waren weder Wiesen noch Fel der, in denen jenes gelbe Wildkraut wuchs, das Ganza gefunden hatte. Allerdings könnte es hier durchaus Rehe geben.
Sie hatte sich mit Tully auf die anderthalbstündige Fahrt gemacht, während Racine Dobsons Kollegen Zach Lester zur Fahndung ausschrieb.
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