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Erlosung

Erlosung

Titel: Erlosung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fischer Claus Cornelius
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mir immer gewünscht hatte … Serge hatte mich gebeten, sie zu empfangen – ich hatte nicht einmal gefragt, worum es
genau ging. Er sprach von einer Dissertation, an der sie arbeitete …«
    Sein Gesicht wurde weich, glättete sich unter den Falten. »Es gibt Begegnungen, die für einen Menschen alles ändern. Vorher hätte ich das nicht geglaubt, aber jetzt weiß ich es, und das ist selbst dann so, wenn es nur bei dieser einen Begegnung bleibt, wenn sich die Wege derer, denen sie geschenkt wurde, danach wieder trennen. Die Stunden mit dieser jungen Studentin aus demselben Ort im Elsass, aus dem auch meine Familie stammte, war so eine. Verstehen Sie mich nicht falsch, es geht hierbei weder um Liebe noch um Erotik, auch nicht darum, dass ich ein Mann bin und sie eine Frau ist.
    Sie setzte sich mir gegenüber und begann zu reden, aufrichtig, mit großem Ernst, mit Herz, Leidenschaft und Rückgrat. Dabei erzählte sie mir nichts wirklich Neues. Mein Neffe Rémy hatte mir schon die Augen geöffnet für das ungesühnte Verbrechen meines Urgroßvaters, aber es war dennoch immer gesichtslos geblieben. Jetzt hatte es plötzlich ein Gesicht erhalten, eines, das um nichts bat außer darum, ›ja‹ zur Wahrheit zu sagen. Ebenso plötzlich aber öffnete es mir jetzt die Augen für mich selbst – ich konnte mich selbst erkennen, in meine Seele sehen. Vielleicht war es ein Wunder, ich weiß es nicht, ich glaube nicht an Gott. Vielleicht war es auch nur ein Zufall: der richtige Tag, die passende Stimmung, die eine Sekunde, in der etwas passieren kann, was schon in der nächsten wieder unmöglich wäre.
    Nachdem sie gegangen war, wollte ich sie unbedingt wiedersehen, und ich wusste, ich habe nur dann das Recht dazu, wenn ich das Unrecht meiner Familie wiedergutmache. Wenn ich mich ihrer würdig erweise, indem ich diesen Schritt vom Saulus zum Paulus tue und das Verbrechen, an dem ich mich gerade beteiligte, verhindere. Dass ich ihr den Stick für meinen Freund Eduard Forell mitgab, dem ich mehr als jedem anderen vertraute,
sollte nur ein erster Schritt sein, verstehen Sie. Ich wähnte sie in Sicherheit. Mich auch, anfangs. Aber dann gab es einen Mordanschlag auf mich, dem ich gerade noch entkommen konnte – ein Auto, das mich beinahe vor meinem Haus in Neuilly überfahren hätte. Da wusste ich, dass ich untertauchen musste, ahnte allerdings immer noch nicht, dass man sich nach meinem Verschwinden an die anderen halten würde, an Nicolette und sogar Mademoiselle Schneider. Wie ernst es dem Konsortium war, habe ich doch erst gemerkt, als es … als sie Nicolette schon hatten. Ich habe alle sofort angerufen, erst Madeleine, dann Barrault und Forell. Es war zu spät. Die Bluthunde hatten schon ihre Witterung aufgenommen.«
    Â»Mado lebt noch«, sagte Ella heftig, »und Sie können dafür sorgen, dass sie am Leben bleibt. Dass wir alle am Leben bleiben. Gehen Sie in Paris mit dem Stick und Ihrem Wissen zu den Amerikanern, sofort. Gehen Sie, bevor Ihnen etwas zustößt.«
    Lazare schwieg und sah aus dem Fenster. Dann schüttelte er den Kopf und sagte: »Ich habe mich für einen anderen Weg entschieden.«
    Ich kenne den Weg schon, dachte Ella; sie wusste nicht, woher, aber auf einmal kannte sie ihn. »Auf der Hauptversammlung Ihrer Bank morgen Vormittag«, sagte sie. »Sie wollen die Anwesenheit der Berichterstatter aus aller Welt dazu benutzen, die Aufnahme vorzuführen.«
    Lazare blickte weiter aus dem Fenster, obwohl es da nichts zu sehen gab. »Einige Mitglieder des Konsortiums gehören zu meinen Großaktionären«, sagte er. »So wie ich in Ihren Geldhäusern engagiert war, bis vor Kurzem. Sie werden auch da sein. Die Versammlung wird live im Internet und auf einigen Nachrichtensendern im Fernsehen übertragen – «
    Â»Die werden um jeden Preis zu verhindern versuchen, dass Sie reden«, unterbrach Ella ihn. »Ist es das, was Sie wollen – ein Märtyrer werden vor den Augen der ganzen Welt?«

    Mit äußerster Sorgfalt studierte Lazare die draußen vorbeifliegenden Bäume.
    Â»Glauben Sie, damit retten Sie Mados Leben?«, fragte Ella. »Dass die danach keinen Grund mehr hätten, sie umzubringen? «
    Er sagte nichts.
    Â»Und was ist mit mir?«, fragte Ella. »Wer auch immer Sie tötet , man wird es mir in die Schuhe schieben, einer verwirrten

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