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Erlosung

Erlosung

Titel: Erlosung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fischer Claus Cornelius
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dann noch zu fürchten? Warum lassen sie so viele Menschen töten, um an die Aufnahme zu kommen?«
    Â»Weil sie existiert«, antwortete der Bankier, »und solange sie existiert, stellt sie eine Gefahr für sie dar. Fast alle dieser Banken, Versicherungen und Fonds sind nämlich am New Yorker Stock Exchange gelistet; ihre Aktien werden an der Wall Street gehandelt. Damit fallen sie unter amerikanisches Recht, und die Bösenaufsicht da drüben kennt kein Pardon, wenn es um Finanzmarktmanipulationen und Korruption geht. Einem Gutachten von Rochefort, Gladstone & Wentworth zufolge würden
wir in so einem Fall wahrscheinlich nach dem Rico Act unter Anklage gestellt, das heißt, wegen Verschwörung zum Begehen einer Straftat. Nach diesem Straftatbestand wird normalerweise das organisierte Verbrechen abgeurteilt, die Mafia, und darauf steht mindestens lebenslange Haft.«
    Â»Warum sind Sie dann nicht längst zu den Amerikanern gegangen? «
    Plötzlich war es da, das blau blitzende Licht im Rückspiegel. Anfangs war es so weit weg, dass Ella nur kurz hinsah und glaubte, sie hätte sich getäuscht – ein Aufflackern, das sich nicht wiederholte, vielleicht ein Wetterleuchten. Doch nach der Kurve fand es sich wieder ein, das helle Zucken hinter ihr zwischen Fahrbahn und Himmel, und jetzt kam es schnell näher, nur das Licht, keine Sirene, lautlos und schnell.
    Ella zog nach rechts, auf die äußerste Spur, um notfalls die Straße verlassen zu können. Es war ein Zivilfahrzeug, das Blaulicht und die gelben Scheinwerfer wuchsen in der Dunkelheit, immer größer, immer näher, waren da, neben dem Pick-up, zwei Polizisten in blauer Uniform, keiner schaute hoch, und im nächsten Moment waren sie vorbei, ohne anzuhalten.
    Ella nahm die Hände vom Lenkrad und wischte sich die Feuchtigkeit an den Oberschenkeln ab. Einen Augenblick lang hatte sie sogar das Brennen in ihrer Hüfte vergessen, das Blut, das nicht aufhörte, den Verband zu durchnässen. Sie hatte es sich nie so vorgestellt – dass man es am Anfang ignorierte, und erst, wenn es nicht aufhörte, fing man an, daran zu denken und dann hörte man gar nicht mehr auf. Man dachte, da fließt dein Leben aus dir heraus.
    Ein großes grünes Schild schwebte rechts aus der Nacht heran, weiße Buchstaben, A 11, Le Mans, dann Chartres und ganz unten Paris. Autobahn bedeutete Mautstation, zu gefährlich. Sie sah, dass auch Lazare dem Polizeiwagen hinterherstarrte, reglos, aber nicht so erschrocken wie sie. »Warum sind
Sie nicht gleich zu den Amerikanern gegangen?«, wiederholte sie ihre Frage. »Warum haben Sie denen die Aufnahme nicht überlassen und – «
    Â» – die Echtheit durch meinen Tod beglaubigt?«, unterbrach Lazare sie unwirsch. »Das wäre die letzte Möglichkeit gewesen«, er fuhr sich mit einer Hand über das Kinn, als suchte er nach seinem abrasierten Bart, »die Amerikaner sind in so einer Angelegenheit die letzte Möglichkeit. Bei denen dauert so was lange – man muss ihnen als Zeuge zur Verfügung stehen – endlose Gespräche mit Dutzenden von Strafverfolgungsbehörden – «
    Â»Verstehe, da nimmt man doch lieber den Tod von noch ein paar Menschen in Kauf«, sagte Ella, »ein paar gefolterte Frauen – den einen oder anderen aufgeschlitzten Mann – eine Ärztin, die um ihr Leben rennen muss … Selbst gute Freunde wie Professor Forell oder Professor Barrault lässt man lieber umkommen, als dass man sich endlosen Gesprächen oder womöglich noch einem Lügendetektortest aussetzt und dem sinnlosen Morden ein Ende setzt – «
    Â»Sie wissen nicht, wovon Sie reden«, sagte Lazare, unversehens kalt und abweisend.
    Â»Ich rede von Madeleine Schneider«, sagte Ella. »Ich rede von Nicolette Marceau und Eduard Forell und Serge Barrault, um nur die zu nennen, die Sie kennen.«
    Â» Ich weiß , wovon Sie reden!« Lazare schlug mit der Faust so heftig gegen das Seitenfenster, dass der Schlag Annika im Schlaf zusammenzucken ließ. » Sie wissen es nicht. Glauben Sie denn, ich denke nicht jeden Tag an Mademoiselle Schneider? An Nicolette?« Seine Stimme war auf einmal belegt, fast heiser. »Der Tag, an dem Madeleine von meiner Sekretärin in mein Büro geführt wurde … Es war, als würde mein anderes Leben hereingeführt, das, von dem ich nicht einmal wusste, dass ich es

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