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Erlosung

Erlosung

Titel: Erlosung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fischer Claus Cornelius
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wurde er Opfer einer Entführung«, sagte er, »auf dem Weg zur Schule. Die Entführer verlangten drei Millionen Francs Lösegeld, eine lächerliche Summe, nicht mal eine Million Euro. Aber sein Vater – mein Bruder – weigerte sich, zu bezahlen. Einzelheiten spielen keine Rolle, was zählt ist, er bezahlte das Lösegeld nicht, und irgendwann gaben die Entführer auf, Gott sei Dank. Rémy kehrte unversehrt nach Hause zurück. Er fragte seinen Vater, warum hast du nicht bezahlt? Warum hast du denen die drei Millionen nicht gegeben? Und mein Bruder antwortete: Es wäre ein schlechtes Geschäft gewesen. Das hat er seinem Sohn geantwortet.
Er konnte nicht gegen seine Natur.« Er blinzelte. »Sie sehen, irgendwas scheint mit unserer Familie nicht ganz in Ordnung zu sein. Ich habe mich noch gar nicht richtig bei Ihnen bedankt. Sie haben sehr viel für mich getan. Merci. «
    Er stieg aus und zog sich die Krempe des Lederhuts tief in die Stirn. Mit hochgestelltem Parkakragen lief er durch den peitschenden Regen davon, mischte sich unter eine Schar Pendler, die aus der Metrostation Étoile kamen und tauchte mit ihnen in einer Seitenstraße unter. Ella rutschte ans Steuer, sah ihm noch einen Moment nach, obwohl er längst verschwunden war, und fragte sich, ob sie ihn lebend wiedersehen würde. Vielleicht ist einer von uns beiden bald tot. Sie fädelte sich wieder in den morgendlichen Berufsverkehr ein.
    Â»Was hältst du von Kaffee?«, fragte Annika.
    Â»Wenn wir da sind«, sagte Ella.
    Â»Wenn wir wo sind?«
    Â»Beim Centre de Congrès.«
    Es regnete, als sie beim Kongresszentrum ankamen, und es regnete weiter, während sie langsam die Straßen abfuhren, an denen das Gebäude lag. Der graue Betonbau sah aus wie ein in der Mitte durchgesägter Flugzeugträger mit einem zu hoch geratenen Kommandoturm. Das herabstürzende Wasser spritzte von seiner Dachkante auf die ein Stockwerk darunter angebrachte Plattform und von dort weiter auf den Vorplatz, sodass die Sicherheitsleute und Kontrolleure sich draußen nicht sehen ließen. Aber Ella wusste, dass sie da waren, und beim zweiten Mal entdeckte sie einige von ihnen hinter den Glastüren im erleuchteten Foyer und noch ein paar mehr oben an den Außenrolltreppen, und an den Hintereingängen und der Einfahrt zur Tiefgarage waren auch welche.
    Sie musste sie mit ihrem inneren Teleobjektiv heranholen durch die nassen Seitenfenster, an den hin und her flappenden Scheibenwischern vorbeizoomen. Je öfter sie vorbeifuhr, desto
mehr von ihnen sah sie, mit ihren grauen Anzügen, den ausgebeulten Jacketts, den Knöpfen in den Ohren, den Mikroports, den Walkie-Talkies und draußen mit großen Schirmen, die nach Portier aussehen sollten. Drei Polizeiwagen parkten vor dem Haupteingang, etwas weiter entfernt standen ein Feuerwehrwagen und mehrere Ambulanzfahrzeuge.
    Ella stellte den Renault eine Ecke weiter ab. Sie schaltete die Scheibenwischer aus und lauschte dem Pladdern des Regens auf dem Dach. »Was heißt Notarzt auf Französisch?«, fragte sie.
    Â»Ist das dein Plan?«, fragte Annika.
    Â»Ja.« Ella beugte sich vor, griff unter die Sitzbank und holte den Notfallkoffer und die rot-weiß-blaue Arztweste hervor, die sie aus dem Rettungswagen der Flughafenambulanz in Rennes mitgenommen hatte. » Ich sehe nicht von Weitem zu, wie jemand ein Attentat auf Lazare verübt, für das ich dann an die Wand gestellt werde. Ich bin Notärztin und gehöre heute zur Einsatzmannschaft der Feuerwehr, was heißt das?«
    Â» Je suis médecin de service «, erklärte Annika. »Mehr würde ich nicht sagen, die wissen, dass die Feuerwehr da ist. Sag es nur schön schroff und von oben herab, Franzosen mögen das!«
    Sie liefen durch den unaufhörlich strömenden Regen zu einen Bistro, von dem aus sie das Centre beobachten konnten. Sie tranken Café Crème und aßen Schinkensandwiches. »Du weißt schon«, sagte Annika mit vollem Mund, »selbst wenn Lazare diesen Tag überlebt und die Mitglieder des Konsortiums aus dem Verkehr gezogen werden – von den aalglatten Typen bei Rochefort, Gladstone & Wentworth und ihrer Birnam Forrest-Privatarmee kann auch er die Welt nicht säubern …«
    Â»Ich will nicht mehr die Welt verändern«, sagte Ella. »Ich will nur mein Leben retten, erinnerst du dich?« Sie leerte ihre Kaffeetasse. »Und

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