Ernest Hemingway
Zeit», sagte Para. «Ich werde dadurch völlig kahl. Kommen Sie rein.»
Drinnen hieß ihn Para sich hinsetzen.
«Wissen Sie, sie taugen tatsächlich überhaupt nichts», sagte Nick. «Ich erinnere mich, als wir sie zuerst bekamen, gaben sie einem ein gewisses Gefühl von Sicherheit, aber ich habe sie zu oft voll Hirnmasse gesehen.»
«Nicolo», sagte Para, «ich finde, Sie sollten zurückfahren. Ich finde es richtiger, wenn Sie nicht nach vorn kommen, bevor Sie nicht die Vorräte haben. Hier gibt’s nichts für Sie zu tun. Selbst wenn Sie mit Sachen, die sich zu verschenken lohnen, die Runde machen, klumpen die Leute zusammen, und dann geht die Schießerei los. Ich erlaube es nicht.»
«Ich weiß, es ist dämlich», sagte Nick. «Es war nicht meine Idee. Ich hörte, daß die Brigade hier sei, darum dachte ich, ich besuche Sie, oder sonst irgendwen, den ich kenne. Ich hätte nach Zenzon oder nach San Dona fahren können. Ich möchte gern nach San Dona fahren, um die Brücke wiederzusehen.»
«Ich erlaube nicht, daß Sie sinnlos herumfahren», sagte Hauptmann Paravicini.
«Schön, schön», sagte Nick. Er fühlte, wie es wiederkam.
«Verstehen Sie?»
«Natürlich», sagte Nick. Er versuchte es zurückzuhalten.
«All derartiges sollte nachts gemacht werden.»
«Natürlich», sagte Nick. Er wußte, daß er es jetzt nicht unterdrücken konnte.
«Nicht wahr, Sie verstehen, ich befehlige das Bataillon», sagte Para.
«Und warum sollten Sie nicht?» sagte Nick. Da kam es. «Sie können doch schreiben und lesen, nicht wahr?»
«Ja», sagte Paravicini leise.
«Der Übelstand ist, daß Sie ein verdammt kleines Bataillon zu befehligen haben. Sobald es wieder seine volle Stärke hat, wird man Ihnen Ihre Kompanie zurückgeben. Warum werden die Toten nicht begraben? Ich habe sie jetzt gesehen. Mir liegt nichts daran, sie noch einmal zu sehen. Man kann sie begraben, jederzeit, was mich anbelangt, und für Sie wäre es viel besser. Ihr werdet alle scheißkrank werden.»
«Wo haben Sie Ihr Rad gelassen?»
«Im letzten Haus.»
«Glauben Sie, daß es da sicher ist?»
«Keine Bange», sagte Nick. «Ich gehe sehr bald.»
«Legen Sie sich ein bißchen hin, Nicolo.»
«Schön.»
Er schloß die Augen, und an Stelle des Mannes mit dem Bart, der ihn, bevor er abdrückte, ganz ruhig über das Visier seines Gewehrs anblickte, das weiße Aufblitzen, den keulenartigen Stoß gegen die Knie, heiß-süßliches Ersticken, er hustete es auf den Felsen, während sie an ihm vorbeikamen, sah er ein langes gelbes Haus mit einem niedrigen Stall und den Fluß, viel breiter als er war und glatter. «Herrgott», sagte er, «ich kann eigentlich gehen.»
Er stand auf.
«Ich gehe, Para», sagte er. «Ich werde jetzt am Nachmittag zurückradeln. Falls irgendwelche Vorräte gekommen sind, bringe ich sie heute abend her. Wenn nicht, komme ich nachts mal, wenn ich was zu bringen habe.»
«Es ist noch zu heiß zum Radeln», sagte Hauptmann Paravicini.
«Sie brauchen sich keine Sorge zu machen», sagte Nick. «Ich bin jetzt wieder eine ganze Zeit lang in Ordnung. Ich hatte gerade einen, aber es war ein leichter. Sie werden viel besser. Ich weiß vorher, wenn ich einen bekomme, weil ich dann soviel rede.»
«Ich gebe Ihnen einen Melder mit.»
«Mir wär’s lieber, Sie täten’s nicht. Ich kenne den Weg.»
«Kommen Sie bald wieder?»
«Bestimmt.»
«Lassen Sie mich einen Melder…»
«Nein», sagte Nick. «Als Vertrauensbeweis.»
«Gut, also ciao.»
«Ciao», sagte Nick. Er machte sich auf, den tiefliegenden Weg entlang, zurück dorthin, wo er sein Rad gelassen hatte. Am Nachmittag würde die Straße schattig sein, sobald er erst den Kanal überquert hatte. Jenseits davon waren zu beiden Seiten Bäume, die überhaupt nicht bombardiert worden waren. Auf jener Strecke war es gewesen, wo sie einmal auf dem Marsch an dem Terza-Savoia-Kavallerieregiment, das mit seinen Lanzen durch den Schnee ritt, vorbeigekommen waren. Der Atem der Pferde stand wie lauter Federbüsche in der kalten Luft. Nein, das war irgendwo anders gewesen. Wo war das doch?
«Ich will lieber machen, daß ich zu dem verdammten Rad komme», sagte Nick zu sich. «Ich will nicht den Weg nach Fornaci verfehlen.»
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