Ernest Hemingway
möchte nichts sein als eine Heilige. Das ist alles, was ich je gewollt habe. Und heute früh habe ich das Gefühl, als ob ich eine sein könnte. Ach, ich hoffe so, daß ich eine werde.»
«Sie werden eine sein. Jeder bekommt das, was er sich wünscht. Das sagt man mir immer.»
«Jetzt weiß ich es nicht. Als ich jung war, schien es so einfach. Ich wußte, ich würde eine Heilige werden. Nur glaubte ich, daß es Zeit erfordern würde, als ich merkte, daß es nicht plötzlich geschah. Jetzt scheint es beinahe unmöglich.»
«Ich würde sagen, daß Sie eine gute Chance haben.»
«Glauben Sie das wirklich? Nein, ich will nicht, daß man mir einfach gut zuredet. Reden Sie mir nicht einfach gut zu. Ich möchte eine Heilige sein. Ich möchte eine Heilige sein.»
«Natürlich werden Sie eine Heilige werden», sagte Mr. Frazer.
«Nein, wahrscheinlich werde ich’s nicht. Aber ach, wenn ich doch nur eine Heilige sein könnte! Dann wäre ich vollkommen glücklich.»
«Drei zu eins werden Sie eine Heilige.»
«Nein, reden Sie mir nicht gut zu. Ach, wenn ich doch nur eine Heilige sein könnte! Wenn ich nur eine Heilige sein könnte!»
«Wie geht es Ihrem Freund Cayetano?»
«Er wird gesund werden, aber er ist gelähmt. Eine der Kugeln hat den großen Nerv getroffen, der durch den Oberschenkel läuft, und das Bein ist gelähmt. Sie haben es erst bemerkt, als er sich wohl genug fühlte, um sich zu bewegen.»
«Vielleicht wird der Nerv wieder heilen.»
«Ich bete, daß er das tut», sagte Oberschwester Cecilia. «Sie sollten ihn sehen.»
«Ich mag niemanden sehen.»
«Bewahre, Sie möchten ihn bestimmt gern sehen. Man könnte ihn hier hereinrollen.»
«Schön.»
Man rollte ihn herein, dünn, mit durchsichtiger Haut, mit schwarzem Haar, das geschnitten werden mußte, mit lachenden Augen, schlechten Zähnen, wenn er lächelte.
«Hola, amigo! Que tal?»
«Wie Sie sehen», sagte Mr. Frazer. «Und Sie?»
«Lebendig, mit einem gelähmten Bein.»
«Schlimm», sagte Mr. Frazer. «Aber der Nerv kann wieder heilen und so gut wie neu werden.»
«Das hat man mir gesagt.»
«Wie ist’s mit den Schmerzen?»
«Jetzt nicht. Eine Zeitlang war ich wie verrückt davon im Bauch. Ich dachte, die Schmerzen allein würden mich umbringen.»
Oberschwester Cecilia beobachtete sie strahlend.
«Sie hat mir erzählt, daß Sie niemals einen Laut von sich gegeben haben.»
«So viele Leute im Saal», sagte der Mexikaner mißbilligend. «Was für eine Art von Schmerzen haben Sie?»
«Schlimm genug. Zweifelsohne nicht so schlimm wie Ihre. Wenn die Schwester rausgeht, weine ich eine Stunde, zwei Stunden. Es erleichtert mich. Meine Nerven sind jetzt schlecht.»
«Sie haben ein Radio. Wenn ich ein Einzelzimmer hätte und ein Radio, ich würde die ganze Nacht hindurch schreien und weinen.»
«Das bezweifle ich.»
«Hombre si. Es ist sehr gesund. Aber man kann es nicht mit so vielen Leuten drumherum.»
«Wenigstens», sagte Mr. Frazer, «sind Ihre Hände noch in Ordnung. Man hat mir erzählt, daß Sie sich Ihren Unterhalt mit den Händen verdienen.»
«Und dem Kopf», sagte er und tippte gegen seine Stirn. «Aber der Kopf ist nicht soviel wert.»
«Drei Ihrer Landsleute waren hier.»
«Von der Polizei geschickt, mich zu besuchen.»
«Sie haben etwas Bier gebracht.»
«Wahrscheinlich war es schlecht.»
«Es war schlecht.»
«Heute abend kommen sie, von der Polizei geschickt, um mir ein Ständchen zu bringen.» Er lachte, dann tippte er auf seinen Bauch. «Ich kann noch nicht lachen. Als Musiker sind sie verheerend.»
«Und der, der Sie verwundet hat?»
«Noch ein Dummkopf. Ich habe ihm beim Kartenspielen 38 Dollar abgewonnen. Dafür erschießt man doch keinen.»
«Die drei haben mir erzählt, daß Sie viel Geld gewinnen.»
«Und ich bin ärmer als die Vögel.»
«Wie kommt das?»
«Ich bin ein armer Idealist. Ich bin das Opfer von Illusionen.» Er lachte, dann grinste er und tippte auf seinen Bauch. «Ich bin ein Berufsspieler, aber ich setze gern was aufs Spiel. Richtig was aufs Spiel. So ein bißchen was aufs Spiel setzen, ist einfach unanständig. Um richtig zu spielen, braucht man Glück. Ich habe kein Glück.»
«Niemals?»
«Niemals. Ich bin völlig ohne Glück. Sehen Sie mal, dieser cabron, der mich gerade jetzt verwundet hat. Kann er schießen? Nein. Den ersten Schuß feuerte er ins Blaue. Der zweite wird von einem armen Russen aufgefangen. Das sieht wie Glück aus. Was geschieht? Er schießt mich zweimal in den
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