Ernest Hemingway
einfach ein paar Mexikaner heraufschicken muß, um den armen Cayetano zu besuchen. Er wird heute nachmittag ein paar heraufschicken. Dann wird sich der arme Mensch schon besser fühlen. Es ist einfach schandbar, daß ihn niemand besucht hat.»
An jenem Nachmittag gegen fünf kamen drei Mexikaner ins Zimmer.
«Darf man?» fragte der Größte, ein feister, der sehr dicke Lippen hatte.
«Warum nicht?» antwortete Mr. Frazer. «Setzen Sie sich, meine Herren. Wollen Sie etwas trinken?»
«Vielen Dank», sagte der Große.
«Danke», sagte der Dunkelste und Kleinste von ihnen.
«Nein, danke», sagte der Dünne. «Es steigt mir zu Kopf.» Er tippte an seinen Kopf.
Die Schwester brachte ein paar Gläser. «Bitte geben Sie ihnen die Flasche», sagte Mr. Frazer. «Er ist aus Red Lodge», erklärte er.
«Der aus Red Lodge ist der beste», sagte der Große. «Viel besser als der aus Big Timber.»
«Klar», sagte der Kleinste, «kostet auch mehr.»
«In Red Lodge gibt es welchen in allen Preislagen», sagte der Große.
«Wieviel Röhren hat Ihr Radio?» fragte der, der nicht trank.
«Sieben.»
«Sehr schön», sagte er. «Was kostet es?»
«Ich weiß es nicht», sagte Mr. Frazer. «Es ist gemietet. Sie, meine Herren, sind wohl Freunde von Cayetano?»
«Nein», sagte der Große. «Wir sind Freunde von dem, der ihn verwundet hat.»
«Wir sind von der Polizei hergeschickt worden», sagte der Kleinste.
«Wir haben eine Budike», sagte der Große, «er und ich», und wies auf den, der nicht trank. «Er hat auch eine Budike.» Er wies auf den kleinen Dunklen. «Die Polizei sagt uns, wir müssen kommen – also kommen wir.»
«Es freut mich sehr, daß Sie gekommen sind.»
«Gleichfalls», sagte der Große.
«Wollen Sie noch ein Gläschen?»
«Warum nicht?» sagte der Große.
«Wenn Sie gestatten», sagte der Kleine.
«Ich nicht», sagte der Dünne. «Es steigt mir zu Kopf.»
«Er ist sehr gut», sagte der Kleinste.
«Warum versuchen Sie nicht etwas?» fragte Mr. Frazer den Dünnen. «Lassen Sie sich ein bißchen zu Kopf steigen.»
«Nachher kommen die Kopfschmerzen», sagte der Dünne.
«Könnten Sie nicht ein paar Freunde von Cayetano herschicken, um ihn zu besuchen?» fragte Mr. Frazer.
«Er hat keine Freunde.»
«Jeder Mensch hat Freunde.»
«Der da, nein.»
«Was tut er denn?»
«Er ist ein Kartenspieler.»
«Ein guter?»
«Ich glaube, ja.»
«Von mir», sagte der Kleinste, «hat er 180 Dollar gewonnen. Jetzt gibt es keine 180 Dollar mehr auf der Welt.»
«Von mir», sagte der Dünne, «hat er 200 Dollar gewonnen. Prägen Sie sich die Zahl ein.»
«Ich habe niemals mit ihm gespielt», sagte der Dicke.
«Er muß sehr reich sein», warf Mr. Frazer ein.
«Er ist ärmer als wir», sagte der kleine Mexikaner. «Er hat nichts außer dem Hemd auf seinem Leib.»
«Und das Hemd hat nur noch wenig Wert», sagte Mr. Frazer, «durchlöchert, wie es ist.»
«Klar.»
«War der, der ihn verwundet hat, auch ein Kartenspieler?»
«Nein, ein Rübenhacker. Er hat die Stadt verlassen müssen.»
«Stellen Sie sich das vor», sagte der Kleinste, «er war der beste Gitarrespieler, den es je in dieser Stadt gegeben hat, der allerbeste.» «Wie schade.»
«Das will ich meinen», sagte der Größte. «Wie der Gitarre spielen konnte!»
«Gibt es sonst keinen guten Gitarrespieler?»
«Nicht den Schatten von einem Gitarrespieler.»
«Es gibt einen Ziehharmonikaspieler, der was taugt», sagte der dünne Mann.
«Es gibt ein paar, die alle möglichen Instrumente spielen», sagte der Große. «Mögen Sie Musik?»
«Wie sollte ich nicht?»
«Wir werden einen Abend mit Musik kommen, ja? Glauben Sie, daß die Schwester es erlauben wird? Sie scheint sehr freundlich zu sein.»
«Sicher wird sie’s erlauben, sobald Cayetano zuhören kann.»
«Ist sie ein bißchen verrückt?» fragte der Dünne.
«Wer?»
«Die Schwester da.»
«Nein», sagte Mr. Frazer, «sie ist eine famose Frau, sehr klug und mitfühlend.»
«Ich mißtraue allen Priestern, Mönchen und Nonnen», sagte der Dünne.
«Er hat als Junge schlechte Erfahrungen gemacht», sagte der Kleinste.
«Ich war Meßgehilfe», sagte der Dünne stolz. «Jetzt glaube ich an nichts. Ich gehe auch nicht zur Messe.»
«Warum? Steigt Ihnen das zu Kopf?»
«Nein», sagte der Dünne. «Der Alkohol steigt mir zu Kopf. Religion ist das Opium für die Armen.»
«Ich dachte, Marijuana sei das Opium für die Armen», sagte Frazer.
«Haben Sie je Opium geraucht?» fragte
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