Erntemord
aussah, ob ihr Haar wirklich so seidig war, wie er es sich vorstellte. Ob sie die gleiche Leidenschaft, mit der sie sprach, auch im Bett zeigte.
„Ja, sicher. Es war mir ein Vergnügen.“
„Bis dann.“ Mit diesen Worten drehte sie sich um und betrat das Hotel.
Es ist noch nicht spät, dachte Rowenna. Drüben in der Bourbon Street würden die Bands noch stundenlang spielen.
Sie dachte daran, noch auf einen Drink und ein bisschenMusik auszugehen, entschied sich aber dagegen. Stattdessen nahm sie eine lange Dusche und trank dann ein Bier aus der Minibar. Sie wollte schlafen – musste schlafen – und hatte zugleich Angst vorm Schlafen.
Kendall hatte ihr ganz ernst gesagt, dass Geister in den Träumen erschienen, und nun hatte sie Angst zu schlafen.
Sie versuchte, fernzusehen, bis sie zu müde war, um wach zu bleiben, doch gerade als sie zur Fernbedienung griff, klopfte es an der Tür. Und bevor sie antwortete, wusste sie, dass Jeremy Flynn draußen stand. Ihr Herz raste, und sie spürte, wie das Blut in ihren Kopf schoss.
Apropos Träume …
Er lehnte am Türrahmen, und einen Moment lang wirkte seine Miene sehr verletzlich. Sie fragte sich, was er hier tat. Ob er verrückt war. Dachte, dass er auf direktem Weg zurück in sein Hotel gehen sollte.
„Sie sollten die Tür nicht öffnen, ohne zu fragen, wer da ist“, sagte er.
„Ich wusste, dass Sie es sind“, erwiderte sie.
„Hellseherin?“, fragte er weich.
„Ich wusste es“, wiederholte sie.
Sie hoffte, dass er nicht reden wollte.
Wollte er nicht.
Sie zog ihn ins Zimmer. Ab ge se hen von dem blas sen Schein, der aus dem Badezimmer fiel, hatte sie bereits alle Lichter gelöscht. Und sie war froh darum, denn auch sie wollte nicht reden. Noch wollte sie seine Miene mustern oder von ihm gemustert werden. Vor allem wollte sie nicht, dass er um Erlaubnis bat.
Nach der Dusche hatte sie einen Seidenkimono übergeworfen, den sie nun zu Boden gleiten ließ. Sie umfasste sein Gesicht mit ihren Händen, ging auf die Zehenspitzen, fand seine Lippen und küsste ihn. Sein Arme umfingen sie, stark und fest, und sein Mund öffnete sich dem ihren mit der gleichenLeidenschaft. Ihre Lippen verschmolzen, und seine Zunge stieß in ihren Mund und entfachte einen Hunger in ihr, der ebenso berauschend wie erschreckend war.
Sie hatte Angst. Was, wenn sie vergessen hatte, wie man sich liebte? War es wirklich wie beim Fahrradfahren, dass man es nicht verlernte? Konnte sie versagen? Zu unbeholfen sein …?
Er liebkoste ihren Rücken, während sein Mund mit dem ihren verschmolzen blieb, feucht und heiß. Seine Finger strichen über ihre Haut wie ein Lauffeuer. Er trat zurück. Sein dunkles kastanienbraunes Haar war zerzaust von ihren Händen. Er atmete schwer, und in seinen grauen Augen schien ein Sturm zu toben. Sie befürchtete, dass sie zu weit gegangen, zu begierig gewesen war und sich lächerlich gemacht hatte. Doch er war nur zurückgetreten, um seinen Pulli über den Kopf zu ziehen und zur Seite zu werfen. Als ihre Münder sich wieder trafen, spürte sie, wie Begierde sie ergriff, und fuhr mit der Hand instinktiv zum Hosenbund seiner Jeans, um den Knopf zu öffnen.
Die nächsten Minuten erlebte sie wie durch einen Schleier. Sie erinnerte sich an seine Hand auf ihrem Gesicht, wie seine Finger ihren Kiefer entlangfuhren und über ihre Wange strichen. Und sie erinnerte sich an seine Augen, die sie betrachteten, erinnerte sich an ihre Farbe, die Erregung darin, spürte seinen Blick fast so körperlich wie seine Finger auf ihrer Haut. Rasch entledigte er sich seiner Schuhe und der Jeans, und dann lagen sie zusammen auf dem Bett. Sie begriff, dass ihre Träume nichts weiter als ein neckisches Vorspiel gewesen waren im Vergleich zu dem echten Mann. Alles an ihm nahm sie gefangen, der bronzene Schimmer seiner Haut, die Stärke seiner Hände und ihrer zarten Berührungen, seine langen Beine, die festen Brustmuskeln … Sie hatte das Gefühl, als ob sie sich seit Ewigkeiten berührten, als ob seine Lippen überall waren. Er bewegte sich mit ungezügelter Leidenschaft, ebenso wiesie. Sie liebten sich wie im Rausch, voller Sehnsucht nach dem Höhepunkt, und hielten sich doch zurück, um diese wortlose Verständigung nicht enden zu lassen. Schließlich lag sie lange genug still, um zu spüren, wie seine Lippen und seine Zunge neckend über ihre Haut fuhren, um dann das Gewicht seines Körpers auf sich zu fühlen, während seine sturmgrauen Augen ihren Blick nicht mehr
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