Ernten und Sterben (German Edition)
Ding?«
Hubertus packte die Hightech-Waffe mit beiden Händen und nahm sie aus dem Waffenregal. »Ich versuche, es für dein Spatzenhirn in einfache Worte zu fassen. Mit so einem Ding zu schießen, ist ganz anders als mit herkömmlichen Jagdgewehren. Die Elektronik hilft, die Trefferquote zu maximieren. Erscheint das Zielobjekt im Sichtbereich, visiert man es mit dem stark vergrößernden Objektiv an und markiert es, wie Killer-Drohnen der CIA . Ab diesem Augenblick zeigt das Gewehr eine besondere Form virtueller Intelligenz. Die Waffe verändert automatisch die Spannung des Abzugs. Je näher man das Ziel anvisiert, desto leichtgängiger wird der Abzug. Das Waffensystem lässt den Schützen nur abdrücken, wenn Fadenkreuz und Lasermarkierung zur Deckung gebracht wurden.«
»Meine Güte. Jetzt geht es schon wieder los mit diesen endlosen Vorträgen. Wir haben keine Zeit mehr. Draußen dreht ein Killer durch, und du redest dich um Kopf und Kragen wie ein Waffenfetischist. Wir müssen hoch zum Dachfenster.« Friedhelm half Hubertus, die XS 1 die schmalen Holzstufen hoch bis auf den Dachboden zu hieven. Das Dachfenster war klein, kreisrund und nicht zu öffnen, weil sich das Holz im Laufe der Jahrzehnte vollkommen verzogen hatte.
»Kennst du dich auch in der Praxis mit diesem Teil aus?«, fragte Friedhelm, der versuchte, das dreibeinige Stativ zu justieren.
»Noch sieben Minuten«, hörten sie draußen Black-Horst rufen, der den Countdown mit morbider Freude herunterzählte.
Hubertus’ Schweigen war verräterisch. Liebend gern hätte er jetzt seinen Laptop und einen Internetzugang herbeigezaubert, um die Betriebsanleitung des XS 1 zu studieren. Seine Hände zitterten und schmerzten, als er das Zubehör präzise ausrichtete und dabei jede Menge Zeit verstrich.
»Noch drei Minuten!«, erschallte draußen die Fistelstimme von Black-Horst.
»Wenn du dich nicht beeilst, muss noch jemand Unschuldiges sterben«, drängte Friedhelm.
Hubertus lief der Schweiß in die Augen. »Mein rechter Arm ist noch in Ordnung. Ich lade jetzt das Gewehr, und du hilfst beim Zielen. Wir haben nur eine Chance. Es steht also fifty-fifty für oder gegen uns. Ich drücke auf dein Kommando ab.« Mit dem Ärmel wischte er sich über die feuchte Stirn.
Friedhelm kontrollierte noch einmal den Laserentfernungsmesser sowie die Temperatur- und Drucksensoren, als hätte er nie im Leben etwas anderes gemacht.
»Noch eine Minute!«
»Nun mach schon«, sagte Hubertus.
Friedhelm nickte einmal ganz ruhig.
Hubertus lud die Waffe und flüsterte leise: »Ready, steady, go!«
»Sie müssen uns …«, sagte Müller Zwo noch.
Da explodierte der Kopf von Black-Horst. Unkontrolliert fiel sein Körper in sich zusammen und zuckte noch mehrere Sekunden auf dem Boden vor dem RTW . Müller Zwo blieben die restlichen Worte im Hals stecken.
Alle im näheren Umfeld des Krankenwagens warfen sich auf den Boden, konnten aber nicht verhindern, dass sie mit Gehirnmasse, Schädelknochen und Blut besudelt wurden.
Susanne Kampnagel rannte mit gezückter Dienstwaffe aus dem Forsthaus und zerrte Clementine und Albertine aus dem Schussfeld.
Dann erfasste auch der Einsatzleiter des SEK die Situation und deutete hoch zu dem zerborstenen Dachfenster. Vier seiner Männer machten sich auf den Weg nach oben.
Hubertus und Friedhelm hoben sicherheitshalber die Arme, als die vier SEK -Beamten auf sie zustürmten. Sie wurden gefesselt und unter lautstarkem Protest abgeführt.
Egon-Erwin verließ seine Deckung und rannte ins Haus, um Fotos zu machen. Als er Friedhelm und Hubertus sah, vergaß er seine Kamera und fing herzhaft an zu lachen.
»Die Gebrüder Blattschuss. Ich lach mich tot! Könnt ihr euch noch an das Lied ›Dümmer als du denkst‹ erinnern? Wer hat denn den Psycho erlegt? Du oder du? Friedhelm oder Hubertus?« Er blickte vom einen zum anderen.
Die Brüder zeigten beide auf sich und sagten unisono: »Das war Teamwork!«
»Ich fass es nicht.« Egon-Erwin begann wieder mit dem Fotografieren, während draußen die Sirenen der Polizei und der RTW s um die Wette heulten.
Diesmal agierten die SEK -Beamten ruhig und wohlüberlegt. Die sterblichen Überreste von Black-Horst sammelten sie auf und legten die Leiche auf eine Bahre, die von den Sanitätern in den RTW geschoben wurde. Vier im Nahkampf ausgebildete Scharfschützen mit der Lizenz zum Töten bewachten die Leiche, die nun allerdings keine Gefahr mehr darstellte. Der Rettungswagen fuhr los und bahnte sich eine
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