Ernteopfer
mehr raus aus dem Gelände.«
»Petersen, warum wurden Sie am Samstag mit dem Messer bedroht?«
Kreidebleich schaute er mich an, während sich an sei nem Hals rote Flecken bildeten.
»Bedroht? Wie kommen Sie darauf? Mich hat niemand bedroht!«
»Kommen Sie, Petersen. Es gibt Beweisfotos. Es war der Mann, der gestern früh in Speyer bei der Firma Weiß aus gerastet ist. Davon hat Ihnen Herr Knoll doch bestimmt erzählt!«
Er kam ins Stammeln und redete auf einmal wesentlich schneller als zuvor.
»Ach so. Jetzt weiß ich, was Sie meinen. Das war doch nur eine Lappalie. Nach dem Tod von Schablinski waren eben alle etwas nervös.«
»Und deswegen hat er Sie mit dem Messer bedroht?«
»Das war doch alles nur ein Missverständnis. Das hat sich schnell wieder aufgeklärt.«
»Wo wir gerade bei Schablinski sind. Hatten Sie den am Freitag in Ihrem Transporter sitzen?«
»Schablinski? Nein, den nicht, der war gar nicht dabei. Der arbeitete doch als Vorarbeiter bei uns in den Hallen. Das hat mich überrascht, dass man den da draußen ge funden hat. Nein, Schablinski war definitiv nicht bei uns dabei.«
Fürs Erste hatte ich genug erfahren. Nun drehte ich mich um 90 Grad nach links und rief:
»Kommen Sie ruhig raus, Herr Doktor, ich habe Sie schon längst gesehen.«
Kurz darauf ging die Tür eines Containers auf und Dr. Metzger kam in Zeitlupe heraus.
»Störe ich Sie gerade bei einer Herztransplantation oder haben Sie einen Moment für uns Zeit?«
Noch langsamer kam er näher.
»Tach, Herr Kommissar. Wie klein doch die Welt ist. Haben Sie über mein gestriges Angebot nachge dacht?«
»Lieber laufe ich den Rest meines Lebens mit fünf Ki logramm Schrotkugeln in meinem Körper herum, als mir von Ihnen nur eine Tablette verschreiben zu lassen.«
Metzgers Mundwinkel zuckte wieder einmal erschre ckend nervös.
»Wann darf ich das Gelände wieder verlassen, Herr Kommissar? Warum hält man mich hier überhaupt fest? Ich bin doch nur ein Besucher.«
»Das kann ich Ihnen nicht sagen. Es ist höchst wahr scheinlich, dass sich noch der eine oder andere Vertreter der Krankenkassen mit Ihnen unterhalten möchte. Und ich würde gerne die Wahrheit über Schablinski hören. Sie wissen doch mehr, als Sie uns sagen!«
»Das unterstellen Sie mir jetzt schon zum zweiten Mal. Ich kannte Schablinski gar nicht näher. Und am Freitag habe ich ihn erst gesehen, als er bereits tot war.«
Mir war klar, dass er log.
»Okay, von mir aus können Sie wieder in die Baracke gehen. Einen schönen Tag noch.«
Ich wandte mich meinen Kollegen zu.
»Wenn ihr kein Veto einlegt, könnten wir zurückfahren und eine Teamsitzung improvisieren. Es gibt wieder einiges zu bereden. Wir müssten nur bis um 12.30 Uhr fertig sein, weil ich dann einen wichtigen Termin habe.«
»Von wem lässt du dich heute als Zielscheibe benut zen?«, fragte mich Jutta in recht sarkastischem Ton.
Ich winkte mürrisch ab und lief durch die Hallen zu meinem Wagen. Ohne Probleme konnte ich beide Ab sperrungen passieren. Jutta würde per Funk und Telefon die Mannschaft schon zusammentrommeln. Da das erfah rungsgemäß ein Weilchen dauern würde, machte ich einen kleinen Umweg zur Bäckerei Hassencamp nach Neuho fen, die ich auch ohne elektronische Navigationshilfe auf Anhieb fand.
15
Die kleine Bäckerei befand sich in einem alten Fachwerk haus. Sie erinnerte mich an eine Tante-Emma-Bäckerei an der Weinstraße, an der heutzutage noch zwei bis dreimal die Woche das Schild ›Heute frisches Brot‹ im Schaufens ter hing.
Praktischerweise war das Gebäude einige Meter nach hinten versetzt und die Inhaber waren schlau genug ge wesen, diesen Vorgarten in Parkplätze für die Kundschaft umzugestalten.
Im äußerst schmalen Verkaufsraum dürften ohne Ge dränge schätzungsweise fünf bis sechs Personen Platz fin den. Im Moment bestand die Kundschaft aus einem älteren Mann. Durch eine typische Wildwest-Saloon-Tür konnte man in ein Nebenzimmer schauen. Dort befanden sich eine Handvoll Aluminiumtische mit den dazugehörenden charakteristischen Kaffeehausstühlen.
Ich wartete darauf, an die Reihe zu kommen. Dabei lernte ich wieder mal was Neues fürs Leben. Ackermanns gibt es überall, doch sie konnten auch männlich sein. Was solls, ich hörte mir halt notgedrungen die Kriegserlebnisse des Brot käufers an. Ich überlegte, ob ich einen offenen Tb-Anfall simulieren sollte, damit ich endlich an die Reihe käme. Doch oh Wunder, die Labertasche verabschiedete sich endlich mit
Weitere Kostenlose Bücher