Ernteopfer
einem drohenden »Bis nachher« von der Verkäuferin.
Die sichtlich genervte Bäckereifachverkäuferin begrüß te mich:
»Grüß Gott und was darfs denn sein, der Herr?«
»Guten Tag, mein Name ist Palzki, Kriminalpolizei«, stellte ich mich förmlich vor.
»Huch, ist irgendetwas passiert? Ich kann Ihnen leider nicht helfen, die Chefin kommt erst heute Mittag.«
»Nein, keine Angst, es ist nichts vorgefallen. Vielleicht brauchen wir Ihre Chefin ja gar nicht. Sind Sie morgens immer im Laden?«
»Ja, ich bin jeden Tag von 6 bis 12 Uhr hier im Ver kauf. Meine Chefin, Frau Hassencamp, macht dann mit tags weiter.«
»Na, das ist ja prima. Ich interessiere mich für eine Stu dentengruppe, die hier morgens immer in ihrem Café sit zen soll.«
»Ja, ich weiß, wen Sie meinen. Die kommen fast jeden Morgen unter der Woche rein und frühstücken hier. Das ist für mich immer recht stressig, da ich die Kunden im Laden weiter bedienen muss.«
»Ist bei dieser Gruppe vielleicht ein Mann dabei, der aufgrund seines Alters nicht unbedingt mehr als Student durchgeht?«
Sie musste wegen meiner Umschreibung schmunzeln.
»Sie meinen doch bestimmt Professor Müller? Klar kommt der ab und zu mit zum Frühstück. Er ist sehr nett. Manchmal bringt er mir sogar Blumen.«
Die Verkäuferin schaute dabei verlegen auf den Bo den.
»Aha, die Truppe scheint bei Ihnen so was wie ein Stammpublikum zu sein. Wie oft gab sich der Herr Pro fessor bisher denn die Ehre?«
»Das kann ich Ihnen genau sagen. In jeder Woche tauch te er mindestens zwei-, aber höchstens dreimal auf.«
Ich nickte anerkennend.
»Da haben Sie aber wirklich gut aufgepasst.«
Mein Kommentar brachte sie jetzt sogar zum Errö ten.
»Wissen Sie, warum er nicht jeden Morgen hier ist? Haben Sie da zufällig was mitbekommen?«
»Nein, da kann ich Ihnen nicht weiterhelfen. Ich konnte mich ja bis jetzt noch nie länger mit ihnen unterhalten. Die Studenten sagen manchmal, dass Professor Müller noch große Geschäfte zu tätigen habe. Und dann lachen sie.«
»Große Geschäfte? Sehr interessant. War der Professor am vergangenen Freitag hier?«
Ohne zu überlegen, antwortete sie kopfschüttelnd:
»Nein, da kam er nicht. Und die Studenten hatten es ziemlich eilig und blieben nicht so lange wie sonst üblich. Und heute sind sie überhaupt nicht gekommen.«
Oha, dachte ich. Gut, dass ich das noch überprüft habe. Ich bedankte mich bei Professor Müllers heimli chem Schwarm und verließ die Bäckerei.
Ich hatte Neuhofen längst hinter mir gelassen, als ich be merkte, wie hungrig ich doch war. Komisch, in der Bäcke rei mit all den verführerischen Düften war ich nicht auf die Idee gekommen, mir ein wenig Wegzehrung zu besorgen. Und jetzt war es wie üblich wieder mal zu spät.
Vor der Kriminalinspektion parkte ein Krankenwagen. Das kam hin und wieder vor, wenn wir vorübergehende Kundschaft in den Ausnüchterungszellen hatten. So wie vor ein paar Wochen der 20-jährige Knabe, der nach einem abstinenten Fahrmonat seine Fahrerlaubnis abholen wollte und es nicht einmal mehr fertig brachte, die Eingangstür selbstständig zu öffnen. Als ihm ein hilfsbereiter Beamter von innen die Tür öffnete, knallte er mit der Stirn frontal auf die Bodenfliesen. Seine Fahrerlaubnis wird wohl noch eine Weile in einer Schublade der Inspektion liegen bleiben.
Im Flur war es eng. Zwei Sanitäter waren bemüht, einen meiner Kollegen auf einer Trage hochzuheben.
»Was ist mit dir los, Fritz?«, sprach ich den Liegenden an, als ich ihn erkannte.
»Ach Reiner, du bist es«, antwortete dieser und ver suchte seine schmerzverzerrte Stimme möglichst natürlich klingen zu lassen.
»Nichts Schlimmes, wahrscheinlich nur ein Knöchel bruch. Das nageln die im Krankenhaus wieder schnell zu sammen.«
Ich sah die beiden Sanitäter an, deren Zwerchfell ver dächtig bebte. Die beiden waren kurz davor, sich vor La chen einzunässen.
Fritz blickte sie böse an. Das war alles, was er tun konn te. In diesem Moment kam ein weiterer Kollege hinzu.
»Schau mal, Fritz, was ich da habe!«
Er fuchtelte mit einem breiten schwarzen Flipchart marker herum.
»Wenn du das tust, bring ich dich um!«
Der Kollege lachte und malte dann auf den direkt ne ben der Trage stehenden Getränkeautomaten einen di cken Strich.
Irgendwie verstand ich nicht, was hier abging.
»Was soll das, Kollegen? Seid ihr zu lange in der Son ne gewesen?«
Jetzt konnten sich die Sanitäter nicht mehr beherrschen und lachten lauthals
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