Ernteopfer
lange das dauert. Nein, bis dahin ist es zu spät. Und bis wir alle Unterlagen durchgesehen haben, werden Jahre vergehen. Vorher wird es nur Anklagen in Teilberei chen geben können.«
»Na, dann noch viel Spaß. Ich gehe jetzt mal zu Sieg fried.«
»Danke, den werden wir haben, gehen Sie nur zu Sieg fried. Ihre Kollegen sind ebenfalls dort.«
Das Büro des kaufmännischen Leiters war voller Men schen. Ich nickte Gerhard und Jutta kurz zu und begrüßte den Ermittlungsrichter auf gleiche Art und Weise. Er be fand sich gerade in einem intensiven Gespräch mit Sieg fried und seinen Anwälten.
Einige Beamte waren dabei, Sicherstellungsverzeich nisse der Ordner zu erstellen, die anschließend von einer weiteren Person in Kartons gesteckt und schließlich ab transportiert wurden. Die mir unbekannten Gesichter wa ren sicherlich die regionalen Politiker, die der Staatsanwalt soeben erwähnt hatte. Petersen redete in einer Ecke auf einen weiteren Überraschungsgast ein: Knoll aus Speyer.
»Hallo Herr Knoll, was treibt Sie denn hierher? Werden Sie nicht in Speyer gebraucht?«
Knoll wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, als Pe tersen ihm ins Wort fiel.
»Herr Knoll ist nur zufällig hier. Wir setzen uns ab und zu zusammen, um die Erntemengen der kommenden Wochen abzuschätzen. Das machen wir übrigens mit den anderen Genossenschaftsmitgliedern genauso.«
»Ach, so ist das. War Herr Becker schon hier?«
»Becker? Welcher Becker? Ich kenne niemanden mit diesem Namen.«
»Ist schon gut. Nicht so wichtig. Wie gehts hier vo ran?«
»Das sehen Sie doch. Mein komplettes Büro wird ausge räumt. Die Personalakten und die Buchhaltung sind schon weg. Ich darf nicht mal Kopien machen, weil das so aufwen dig wäre und den zeitlichen Rahmen sprengen würde.«
»Wie hoch schätzen Sie den Steuerschaden ein, den das Unternehmen verursacht hat?«
Petersen schüttelte den Kopf.
»Tut mir leid, über diese Dinge darf ich keine Aus kunft geben. Das macht nur der Chef. Ich habe stets nur auf Anweisung von ihm gehandelt. Ich habe mit alledem nichts zu tun.«
»Aber gewusst haben Sie schon, dass hier illegal ge wirtschaftet wurde?«
»Kein Kommentar. Wenden Sie sich bitte an Herrn Sieg fried und seine Anwälte.«
Petersen klang jetzt sehr verärgert.
Ich ließ ihn stehen und ging zu Gerhard und Jutta, die wohl nur eine beobachtende Rolle innehatten.
»Servus, ihr beiden. Was hat sich bis jetzt getan?«
»Guten Morgen, Reiner. Wenn Siegfried nicht hier wäre, wäre es absolut öde und langweilig. Du kennst das ja, Ord ner aus dem Regal ziehen, kurz reinschauen, Aufkleber drauf, ins Verzeichnis eintragen und abtransportieren. So geht das hier schon die ganze Zeit und ein Ende ist so bald nicht abzusehen.«
»Und was ist mit Siegfried?«
Er konnte uns nicht hören, da er am anderen Ende des Raums diskutierte.
»Der hat erst mal einen Tobsuchtsanfall bekommen, als wir in seine Halle marschiert sind. Fast wäre er noch handgreiflich geworden. Nun kommt er wenigstens mit einer fetten Beleidigungsklage weg. Auf dem Weg zum Büro hat er dann noch einen Kopierer mit Fußtritten de moliert, seiner Sekretärin die Kaffeekanne aus der Hand gerissen und durchs Fenster geworfen. Seit seine Anwälte da sind, ist er aber um einiges zahmer geworden.«
»Hat er schon seinen Haftbefehl bekommen?«, fragte ich an Jutta gerichtet.
»Meines Wissens ja. Er darf aber noch bis zum Ab schluss der Durchsuchung hier bleiben, das haben seine Anwälte durchgesetzt.«
»Gibts schon erste Erkenntnisse?«
»Die größte Erkenntnis ist die, dass nichts so ist, wie es sein sollte. Bilanzen liegen hier für jedes Jahr in drei oder vier Versionen herum, die sich jeweils inhaltlich um Welten unterscheiden. Von Sozialabgaben und manchen Steuern scheint er noch nie was gehört zu haben, die Kon trolleure der Krankenkassen können es gar nicht richtig fassen.«
Ich dachte an Dr. Metzger und musste lächeln.
Nun mischte sich Gerhard ins Gespräch ein.
»Ich habe vorhin mit dem Ermittlungsrichter gespro chen. Das Ganze hier ist kompliziert. Allein dadurch, dass Siegfried so ein verwirrendes Firmengeflecht aufgebaut hat und die Zuordnungen alles andere als leicht zu durch schauen sind. Die Arbeiter in der Halle sind bei über zehn verschiedenen Unternehmen angestellt. Manche Firma hat nur einen einzigen Angestellten, manche Arbeiter sind dafür gleich bei mehreren Firmen gemeldet. Natürlich nur als Aushilfen. Ein einziges Chaos, sage ich dir. Der
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