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Eroberer

Eroberer

Titel: Eroberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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er die Trauben gegessen hatte, die hier in überreichem Maße wuchsen. Leif überwinterte in Vinland und kehrte mit einer Fracht von Trauben und Bauholz nach Grönland zurück. Er fuhr niemals wieder nach Vinland, aber später führten andere Kinder Eriks des Roten eine Expedition an, die es besiedeln sollte.
    Sihtric beugte sich nah zu Orm und musterte ihn; sein Atem stank nach Wein. »Und du«, meinte er. »Hast du dieses Vinland besucht?«
    »Mit meinem Vater, als kleiner Junge. Er hat mir gezeigt, wo meine Großeltern gelebt haben.«
    An einem späten Nachmittag hatten sein Vater und dessen Männer das Schiff aus dem stillen Wasser einer Bucht auf einen sumpfigen Strand gezogen. Das Land war flach; vor der Küste lagen verwitterte Inseln. Auf einem Flecken Land über dem sumpfigen Strand stand die Siedlung, eine Gruppe von Hütten mit Mauern aus Grassoden. Feuer kräuselten sich in den Himmel, und dänische oder norwegische Wortfetzen flogen hin und her, genau wie daheim. »Ich war fasziniert«, gestand Orm. »Ich war alt genug, um zu begreifen, dass ich einen Ozean überquert hatte, und doch lebten und arbeiteten hier Menschen und unterhielten sich in meiner Sprache.«
    Godgifu lächelte entzückt.
    Orm erinnerte sich, dass er mit seinem Vater und dessen Männern am Strand entlanggegangen war. Dort hatten sie etwas entdeckt, was wie drei Höcker
aussah. Wie sich herausstellte, waren es umgedrehte Fellboote, und unter jedem verbargen sich drei Skraelings.
    »Skraelings?«
    Orm zuckte die Achseln. »Wilde. Hässlich und brutal. Sie fahren mit Booten aus zusammengenähten Fellen, und ihre Frauen stinken nach Fisch.«
    Die Wikinger töteten acht der Skraelings, aber einer entwischte. Später kamen weitere aus dem Wald gebrodelt, um Rache zu nehmen.
    »Deshalb wurde die Siedlung dann aufgegeben. Einfach zu viele Skraelings. Aber es gibt viele, die Vinland noch immer als ihre Heimat betrachten.«
    »Und eines Tages werden die Vinlander zurückkehren«, sagte Godgifu. »Um ihr Land von den Skraelings zurückzufordern.«
    »Vielleicht.«
    »Oh, ganz bestimmt sogar«, erwiderte Sihtric. »Die Prophezeiung verlangt es. Jetzt kommen wir zur entscheidenden Frage. Orm, wann genau hat dieser Bjarni …«
    »Bjarni Herjolffson.«
    »Wann hat er sich verirrt und Vinland entdeckt?«
    Wie sich herausstellte, war das Datum nach dem christlichen Kalender schwer zu bestimmen. In Orms Erinnerung waren die Jahre wie bei den meisten Menschen nicht mit Zahlen, sondern mit großen Ereignissen verbunden: mit Kriegen, dem Tod von Königen, Seuchen oder Überschwemmungen – oder mit seltsamen Lichtern am Himmel, wie dem des Kometen
der Prophezeiung. Schließlich gelangten sie zu dem Schluss, dass Bjarnis Reise während der langen Herrschaft von Edwards Vater Aethelred stattgefunden haben musste, in einer Zeit, als die Dänen Britannien verwüstet hatten – und zwar in einem Jahr, in dem England von einer Viehseuche heimgesucht worden war.
    Sihtric hatte ein weiteres Dokument in seinem Beutel, ein eng beschriebenes kleines Buch, ein Exemplar einer Chronik, die englische Mönche seit Alfreds Zeit geführt hatten. Es zeigte sich, dass nur ein Jahr in Aethelreds Herrschaft für eine Viehseuche bekannt war: das Jahr 986 nach Christus.
    »Ich wusste es.«
    »Ich verstehe nicht, worauf du hinauswillst«, gab Orm zu. »In deiner Prophezeiung gibt es kein ›986‹.«
    »Oh doch – eingebettet in ihre Rätsel. Schau dir noch mal die siebte Strophe an.« Er fummelte mit seiner Schriftrolle herum und entrollte sie. »›Der Drache fliegt westwärts … wird eine neue Welt gebor’n.‹ Was kann das anderes bedeuten als die Entdeckung Vinlands durch euch Wikinger? Und in der Strophe steht noch mehr. ›Lass weg sechsunddreißig … Klingt ein großes Jahr aus …‹ Mein maurischer Kollege hat das Ende des siebten Großen Jahres, des siebten Zyklus des Kometen, auf den September des Jahres 989 nach Christus datiert – und zwar, indem er die angegebenen Monate addiert und durch zwölf geteilt hat, sodass …«
    »Ja, ja.«

    »Und das ›lass weg sechsunddreißig‹ ergibt ein Datum von drei Jahren vor dem Ende des Großen Jahres. Die Prophezeiung sagt also Bjarnis Entdeckung voraus  – im Jahr 986 nach Christus .« Er schlug mit der flachen Hand triumphierend auf den Einband seiner Chronik. »Ich wusste es.«
    Godgifu schien schockiert zu sein; offenbar hatte der Priester dieses Geheimnis nicht einmal mit seiner Schwester geteilt.

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