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Eroberer

Eroberer

Titel: Eroberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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in den Schlamm gedrückt. Eine Stimme flüsterte ihr ins Ohr: »Wehre dich nicht.«
    Einen Augenblick lang war sie starr vor Schreck. Wie hatte sie so dumm sein können? Nun würde ihr Leben hier enden, unerfüllt, kinderlos; sie würde wieder und wieder vergewaltigt und dann ermordet werden, wenn die Vergewaltigungen ihr nicht schon selbst den Rest gaben.
    Aber sie hatte ein Messer im Gürtel.
    Mit einer gewaltigen Anstrengung bekam sie die Hände unter die Brust und drückte sich hoch. Sie hörte
einen Körper mit atemlosem Grunzen in den Schlamm klatschen. Sie fand ihr Messer und hielt es vor sich, während sie eine geduckte Haltung einnahm.
    Sihtric lag im Schmutz auf dem Rücken. »Ich bin’s! Dein Bruder! Um Gottes willen …«
    »Sihtric?« Sie hatte ihn seit Westmynster nicht mehr gesehen. »Was tust du denn hier?«
    »Ich suche dich. Ich wusste, du würdest nicht weit vom Zentrum des Geschehens entfernt sein. Vielleicht könntest du mir aufhelfen. Offenbar sitze ich in diesem Schlamm fest …«

XVI
    Harold Godwineson zog in Jorvik ein.
    Er beschlagnahmte das große Münster, das an der Stätte von König Edwins kleiner Kapelle aus den Fundamenten des alten römischen Legionshauptquartiers erblüht war, und veranstaltete darin ein Fest für seine Huscarls, Thegns und Fyrd-Männer, eine Feier mit Gottesdiensten und Gebeten, Liedern und einem Festschmaus, die die ganze Nacht zu dauern drohte. Die führenden Bürger, die gestern noch bereit gewesen waren, Harald Hardrada zu krönen, kamen nun, um den Sieger der Schlacht von Stamfordbrycg willkommen zu heißen, und baten ihn, die vielen hundert Geiseln zurückzubringen, die der Harte genommen hatte.
    Godgifu ging mit Sihtric, der seine schützende Hand über sie hielt, zu dem Fest. Sie konnte nirgends anders hin, saß jedoch voller Angst, dass jemand in ihr Tostigs Verbündete erkennen könnte, mit Sihtric in einer Ecke, aß wenig und trank noch weniger. Harold und Gyrth, die Godwines, saßen mit düsteren Mienen inmitten der Feiernden. Schließlich hatten sie ihren Bruder auf dem Gewissen. Tostigs Leichnam, erzählte ihr Sihtric, sei auf dem Feld gefunden und gebührend eingehüllt worden und werde hier im Münster begraben.

    Sihtric, der Priester, staunte über Harolds soldatische Fähigkeiten. »Harold war in Lunden, als die Nachricht von der Landung der Norweger eintraf. Du musst dir die Situation klar machen. Harold hatte die Fyrd an der Südküste auflösen müssen. Aber es war schon Herbst, und von den Normannen ging für dieses Jahr zweifellos keine Gefahr mehr aus. Harold glaubte schon, das Ende eines schwierigen ersten Jahres auf dem Thron vor sich zu sehen. Und nun das  – die Nachricht von einer Invasion nicht von Süden, sondern von Norden.
    Und dennoch hat er nicht gezögert. Er hat sofort seine Huscarls formiert und ist nach Norden marschiert. Wir sind diese Römerstraße wie ein Sturm entlanggefegt, sechzehn Mann zu Pferde nebeneinander. Und er hat Reiter vorausgeschickt, die die Fyrd ein drittes Mal in diesem Jahr einberufen haben. Wir sind also weitergeritten und unterwegs immer mehr geworden, wie Pilger, die von überallher nach Rom strömen. Es war wundervoll, daran beteiligt zu sein, obwohl ich wusste, dass ich nicht kämpfen müsste.
    Und noch während des Marsches hat Harold Boten und Späher vorausgeschickt. Dabei hat er von der Katastrophe erfahren, die die Earls des Nordens ereilt hatte.«
    »Die Schlacht bei der Foul Ford – ich war ganz in der Nähe.«
    »Das überrascht mich nicht«, sagte Sihtric trocken. »Harold war tatsächlich der Ansicht, dass es richtig von den Earls war, sich den Norwegern entgegenzustellen, bevor sie Jorvik einnahmen, und Hardrada
war ja wenigstens aufgehalten worden. Als er von ihrem Scheitern erfahren hat, ist er unverzagt weitermarschiert.
    Und so sind wir nach Stamfordbrycg gekommen. Wir waren seit Tagesanbruch auf den Beinen, und ich dachte, die Engländer würden sich vielleicht ausruhen. Aber Harold ist sofort über den Feind hergefallen. Der Überraschungseffekt und die Entschlossenheit, ihn sich zunutze zu machen: Das sind seine Stärken. Und dort bei Stamfordbrycg, im Lauf des Tages – na ja, du kennst den Rest; du hast es gesehen. Die Norweger waren erschöpft. Man kann eine Schlacht gewinnen, aber es ist schwer, zwei zu gewinnen. Und Harold hat gesehen, wie Tostig gefallen ist. Ich glaube, es hat ihm das Herz gebrochen. Aber er würde es wieder tun«, flüsterte Sihtric. »Ja, er würde

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