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Eroberer

Eroberer

Titel: Eroberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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es so wäre?«
    »Weich mir nicht aus, mein Junge, das passt nicht zu dir.« Das Gesicht des Bischofs war hart; jetzt ähnelte er William mehr denn je. »Diese Prophezeiung ist berühmt geworden, zumindest am englischen Hof. Und solche Instrumente können gefährlich sein. Selbst wenn wir den Sieg davontragen, wird diese Prophezeiung vielleicht von Tagträumern gelesen werden, die dann behaupten, Williams Zeit werde kurz sein, und es werde bald wieder ein englischer König auf dem Thron sitzen, entweder Harold oder einer seiner Brüder. Oder irgendetwas in der Art. Mach dir klar, dass solch eine Prophezeiung ein Saatkorn sein kann, aus dem vielleicht eine Rebellion erwächst. Und du sollst dafür sorgen, dass dies nicht geschieht.«
    Orm runzelte die Stirn. »Wie?«
    Odo zuckte die Achseln. »Das überlasse ich dir. Finde dieses Menologium. Vernichte jede Kopie. Erledige Sihtric, wenn es sein muss. Was auch immer.«
    »Wir sind im Begriff, in England einzufallen«, sagte Orm verkniffen. »Tausende von Männern werden in den kommenden Tagen sterben, ganz gleich, was dabei herauskommt. Und du machst dir Sorgen wegen eines Stücks Pergament?«
    »Es ist ein Detail, da gebe ich dir recht. Aber wegen Details können Welten gewonnen oder verloren werden  – und ich betrachte es als meine Pflicht gegenüber William, mich an seiner statt um solche Dinge zu kümmern.
    Und noch etwas.« Der Bischof beugte sich vor. Sein
intelligentes Gesicht war konzentriert. »Früher einmal, unter Rom, war die Kirche vereinigt, von Syrien bis Britannien, von Germanien bis nach Afrika. Als das Imperium zerfiel, brach auch die Kirche auseinander  – und Britannien ging verloren. Es half auch nicht gerade, dass es ein paar Jahrhunderte lang immer wieder zu Einfällen deiner heidnischen Vorväter kam.«
    »Und deiner«, erwiderte Orm knapp.
    Odo verzog das Gesicht. »Geschieht mir wohl recht. Aber mir geht es darum, dass die Päpste in Rom schon seit langem das Ziel verfolgen, die Kirche wieder zu vereinigen. Wenn wir fertig sind, wird England keinerlei Verbindungen zu den Barbarenvölkern des Nordens mehr haben, sondern zum lateinischen Zentrum des Südens zurückgekehrt sein, zu dem es gehört. Und das ist erst der Anfang«, sagte er. »Manche von uns denken weiter – an ein vereintes Europa, das Krieg führt, um Verlorenes zurückzugewinnen. Vielleicht können wir die Mauren aus Iberien vertreiben. Vielleicht kommen wir bis nach Jerusalem. Vielleicht kann man sogar die große oströmische Kirche ins alte Zentrum zurückholen. Einige Denker nennen einen solchen Krieg cruciata  – mit einem Kreuz gekennzeichnet, ein Kreuzzug. Die normannische Invasion Britanniens ist nur der erste dieser Kreuzzüge. Und deshalb muss seine Heiligkeit unbefleckt bleiben. Die bloße Existenz dieser Prophezeiung mit ihrer unbekannten und zweifellos häretischen Herkunft ist ein Angriff auf diese Heiligkeit.
    Denk darüber nach, Orm. Indem du das Menologium
und alle, die es schützen, vernichtest, erweist du der Mutter Kirche einen Dienst, für den du im Himmel belohnt werden wirst. Selbst wenn du dazu das Mädchen töten musst, das du bestiegen hast«, schloss er grob.
    Erleichtert hörte Orm, wie von den ersten Schiffen, die im zunehmenden Licht der Morgendämmerung jetzt undeutlich sichtbar waren, Rufe aufstiegen. »Land! Land!«

XVIII
    Orms Schiff gehörte zu den ersten, die in englische Gewässer eindrangen. Erleichtert stellten die Normannen fest, dass Harolds Kriegsflotte nicht herauskam, um sich ihnen entgegenzustellen. Vielleicht hatten sie die Engländer überrascht.
    Sie landeten bei einem Ort namens Pefensae, an der Küste des alten Königreichs der Südsachsen. Es war ein komplizierter, gefährlicher Küstenabschnitt; das stille Wasser glänzte im Licht der tief stehenden Morgensonne, und die Schiffe glitten wie Schatten zwischen flachen Inseln hindurch. Während die Soldaten lautlos ihre Ruder bedienten, hielten sie Ausschau; viele sahen zum ersten Mal etwas von England und den Engländern. Armselige, krumme und schiefe Hütten aus Schilfrohr und Grassoden standen auf den Inseln, zweifellos bewohnt von armen Leuten, die sich ihren Lebensunterhalt am Rand des Meeres verdienten. Aber es war keine Spur von Leben zu sehen, keine Rauchfahne, kein Gestell mit trocknenden Fischen. Vielleicht hatte ja einer von Williams örtlichen Führern seinen Verwandten einen Hinweis gegeben, dachte Orm, dass Tausende hungriger Normannen im Begriff waren, über

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