Eroberer
Erbmasse haben. Rom, Griechenland und Bagdad mögen heute hell leuchten, aber in der Zukunft wird uns die Welt gehören, nicht den Griechen, Römern, Sarazenen oder dergleichen, denn wir sind die überlegene Rasse ...«
Aelfric fiel wieder ein, dass Boniface sein eigenes Volk als arme, des Lesens und Schreibens unkundige,
heidnische Barbaren bezeichnet und sich über Bedas Fehler beklagt hatte, zu den Römern zurückzublicken. Vielleicht tröstete ihn die grausame Rasse-und-Blut-Poesie des Menologiums über seine eigene arme Geburt hinweg und bestätigte ihm, dass die Vergangenheit zwar dem Süden gehört haben mochte, die Zukunft jedoch dem Norden gehören würde.
»Und für diesen Traum hast du deine Brüder im Stich gelassen?«, fragte Belisarius kalt. »Bildest du dir wirklich ein, dass du Gottes Willen ausführst, Domnus, indem du zulässt, dass euer Kloster niedergebrannt wird?«
»Meine Brüder sind aus dem Gefängnis ihres Lebens erlöst worden«, sagte Boniface leise. »Und außerdem spielt unser Leben keine Rolle. Nicht für den Weber. Für ihn sind wir nur in die Vergangenheit eingebettete Figuren, so fest in der Geschichte verankert wie Romulus und Remus oder Julius und Augustus. In gewissem Sinn sind wir schon tot ; wir sind nicht mehr als Geister, die vom Herrn der Zukunft heraufbeschworen wurden.«
Macson sprang ihn an. Er packte den alten Mönch an seiner Kutte und schüttelte ihn. Boniface sackte zu Boden, schlaff wie eine Puppe. »Schluss mit diesem Quatsch!«, rief Macson. »Die Prophezeiung ist meiner Ahnfrau, Sulpicia, geraubt worden. Ich will verdammt sein, wenn ich zulasse, dass sie erneut geraubt wird!« Er schob die Hand in die Kutte des Mönchs und durchsuchte ihn.
Boniface versuchte kraftlos, sich zu wehren. »Lasst
mich in Ruhe! Ihr solltet nicht hier sein. Ihr Briten seid ohne Belang – die Prophezeiung betrifft euch nicht – lasst mich in Ruhe! «
Macson zerrte das Menologium aus seiner Kutte. Es war eine dünne Schriftrolle.
Boniface, der an der Wand zusammengesunken war, hob den Kopf und begann mit hoher, aber kräftiger Stimme zu schreien. »Hilfe! Helft mir, ihr Nordmänner! Hierher!«
Macson sprang ihn erneut an. »Sie werden dich hören! Halt den Mund, du alter Narr!« Aber er konnte Bonifaces Geschrei nicht unterbinden.
Belisarius fasste Aelfric am Arm. »Das Spiel ist aus. Aelfric – geh jetzt, schnell. Es ist nicht nötig, dass du leidest und stirbst.«
»Aber der Domnus, die Prophezeiung …«
»Boniface will sterben, und Gott wird ihm diesen Wunsch schon bald erfüllen. Was die Prophezeiung betrifft …« Er zog eine dünne Schriftrolle aus seinem Ärmel und gab sie ihr. Es war das Menologium; sie hatte nicht gesehen, wie er es Macson bei dessen Kampf mit Boniface abgenommen hatte. »Ich weiß nicht recht, ob ich möchte, dass diesen ›Ariern‹ die Zukunft der Welt gehört.«
»Was ist mit euch?«
»Wir kommen schon allein zurecht«, sagte er grimmig. »Geh. Versteck dich. Kehr zu deinem Vater zurück.«
»Aber ...«
»Geh! « Er öffnete die Tür und schob sie hinaus.
XX
Die Plünderer kamen so rasch zu der Zelle, wie Belisarius befürchtet hatte. Belisarius, Boniface und Macson wurden hinausgeschleift. Blinzelnd standen sie im hellen Tageslicht, an der frischen Luft. Belisarius musste Boniface stützen, der seine Gebete murmelte und zu schwach zu sein schien, um aus eigener Kraft zu stehen.
Die drei waren umstellt. Die Nordmänner waren blutbesudelt, ihre Kleider, ihre Äxte, ihre Gesichter, selbst ihr Haar, als wären sie durch einen Ozean aus Blut gewatet. Sie waren stark, mordgierig, massiv wie Bäume. In diesem Augenblick beneidete Belisarius sie um ihre moralische Leere, ihre Bedenkenlosigkeit.
Es war jetzt später Vormittag, und die Sonne lag warm auf Belisarius’ Gesicht. Es war ein schöner Tag geworden, stellte er fest, nachdem der Morgennebel nun weggebrannt war. Obwohl nur ein paar Schritte entfernt Flammen züngelten, konnte er die Schreie von Meeresvögeln hören, die all die menschliche Torheit um sie herum unberührt ließ.
Ein Plünderer kroch durch die leere Zelle. Als er herauskam und etwas sagte, war seine Sprache nah genug am Germanischen, dass Belisarius die Bedeutung
seiner Worte erraten konnte. »Sie ist leer, Bjarni. Nur diese drei .«
Der Anführer, Bjarni, warf ihnen einen Blick zu. Er sah Belisarius in die Augen, und der Grieche glaubte, in den seinen Bedauern und Müdigkeit zu entdecken. Aber er zuckte die
Weitere Kostenlose Bücher