Eroberer
Achseln. »Na schön. Töte sie, Askold .«
»Wartet.« Macson trat vor. »Ich habe etwas, was ihr wollt.«
Damit lenkte er das Interesse der Plünderer auf sich. Die Waffen wurden stillgehalten.
»Ah«, flüsterte Boniface Belisarius zu. »Der schicksalhafte Moment.«
Bjarni musterte Macson. »Was? Verschwende nicht meine Zeit, mein Junge .«
»Eine Prophezeiung«, beharrte Macson. »Eine Weissagung, ein Omen. Versteht ihr? Sie sagt die Zukunft voraus. Sie ist wertvoll für euch.«
»Die Eingeweide von Vögeln sagen mir die Zukunft voraus .«
»Nicht auf diese Weise. Sie ist schriftlich festgehalten.« Macson lächelte, eine grässliche Grimasse. »Ihr werdet mich brauchen, damit ich sie euch vorlese.«
»Zeig her .«
Macson suchte in seinem Kittel. Als ihm klar wurde, dass er die Schriftrolle nicht mehr besaß, wandte er sich an Belisarius. »Du! Hast du sie mir gestohlen?« Er sprang Belisarius an, wurde jedoch von den Plünderern mühelos zurückgehalten.
Eine andere Stimme meldete sich zu Wort. »Ich
kenne ihn .« Ein kleinerer Mann, dunkelhaarig und wieselartig, trat aus den Reihen der Plünderer hervor. Er wechselte zu Macsons Sprache. »Macson, nicht wahr?«
Macson fiel die Kinnlade herunter. »Rhodri?«
Bjarni wandte sich an diesen Rhodri. »Kennst du ihn, Sklave? «
Rhodri grinste spöttisch. »Er ist ebenfalls ein Sklave. Ich kenne ihn aus Brycgstow .«
»Wenn er als Sklave gedient hat, ist er vielleicht etwas wert. Verschont ihn .« Bjarni wandte sich ab.
Aber Macson protestierte. »Ich bin kein Sklave. Mein Vater hat sich freigekauft, und mich auch.«
Bjarni wirkte verärgert. Er sagte zu Rhodri: »Erklär ihm, dass er entweder als Sklave leben oder als freier Mann sterben kann .«
Macson senkte den Kopf. Seine Unterwerfung brauchte keine weiteren Worte.
Bjarni trat auf Belisarius zu. »Und was ist mit dir? «, fragte er misstrauisch.
Der andere Mann, Askold, wirkte interessiert. »Vielleicht ist er ein Römer .«
»Ich komme aus Konstantinopel«, sagte Belisarius. »Ich bin Oströmer.«
»Dann bringt er vielleicht ein Lösegeld .«
Bjarni überlegte. »Tritt von dem wertlosen alten Mönch zurück, Oströmer, dann wirst du verschont .«
Belisarius blieb, wo er war.
Boniface schloss erneut die Augen. »Du bist ein Gast, Belisarius. Ein Reisender. Ein Kunstliebhaber.
Und ein östlicher Orthodoxer. Es ist nicht nötig, dass du hier stirbst.«
»Das Lösegeld der Nordmänner würde meine arme Familie ruinieren. Besser, ich sterbe jetzt, und sie bleiben reich. Und ich glaube, ich habe genug von dieser Welt gesehen. Außerdem, willst du allein sterben, Mönch? Sag die Wahrheit.«
Boniface zögerte. »Nein.«
»Dann halt dich an mir fest.« Belisarius nahm die zerbrechliche Hand des Mönchs in seine und umschloss sie mit festem Griff.
Bjarni zuckte die Achseln und trat einen Schritt zurück. »Deine Entscheidung .« Askold spuckte in die Hände und hob seine Axt. Er ließ sich Zeit. Seine Kumpane lachten.
»Ach, übrigens«, sagte Belisarius leise zu Boniface. »Mir scheint, das Menologium bietet vielen möglichen Deutungen Raum. Ich bin nicht sicher, ob du den richtigen Weg durch sein Gewirr gefunden hast, Domnus.«
»Mag sein. Aber wir werden es niemals erfahren, stimmt’s? Nicht einmal, wenn wir den heutigen Tag überleben würden. Das ist das Schöne an unserer Religion. Aber wir, geringer als Staub, werden trotzdem unsere Rolle gespielt haben ...«
Belisarius drückte ihm die Hand. »Still jetzt, und mach dich bereit.«
Boniface senkte den Kopf.
Askold brüstete sich vor seinen grinsenden Kameraden, dass er die beiden mit einem einzigen Streich
enthaupten könne. Für Belisarius war sein unzivilisiertes Gerede viel hässlicher als die Schreie der Meeresvögel, und letztlich auch viel uninteressanter.
Askold schwang seine Axt.
XXI
Die Sonne zog ihre Bahn über den Himmel. Immer noch stand Gudrid allein auf der Landspitze, von wo aus der Damm zum Festland führte.
Sie hatte dort gestanden, während der Überfall seinen Lauf genommen hatte, während Menschen geflohen und gestorben waren, Feuer wie Blumen erblüht waren, die geduldige See zurückgewichen war und das schmale, sandige Rückgrat des Damms freigegeben hatte. Die ganze Zeit war sie allein gewesen. Leif und Björn, die beiden Männer, die ihr Vater ihr zur Seite gestellt hatte, waren gleich wieder davongelaufen, überzeugt, dass die anderen ihren Beuteanteil stahlen.
Letzten Endes gelang es einigen, von der
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