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Eros und Evolution

Eros und Evolution

Titel: Eros und Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ridley
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Mäuseweibchen sich mit anderen Mäuserichen paaren als denen, mit denen sie zusammenleben, entscheiden sie sich interessanterweise in aller Regel für solche, deren Krankheitsresistenzgene sich von ihren eigenen unterscheiden. 22 ) Kurz: Seitensprünge kommen bei Kolonievögeln deshalb so häufig vor, weil ein Vogelmännchen dadurch mehr und ein Vogelweibchen dadurch bessere Junge hat.
    Einer der seltsamsten Befunde aus den Vogelstudien der letzten Jahre ist die Entdeckung, daß attraktive Männchen unaufmerksame Väter abgeben. Nancy Burley, deren Zebrafinken einander für mehr oder weniger attraktiv halten, je nachdem, von welcher Farbe ihre Beringung ist, kam als erste zu dem Schluß 23 , und Anders Møller kann für Schwalben dasselbe sagen. Paart sich ein Weibchen mit einem attraktiven Männchen, bemüht er sich weniger, und sie muß mehr für die Aufzucht der Jungen tun. Dies erweckt den Anschein, als habe er das Gefühl, ihr mit der überlegenen Qualität seiner Gene einen Gefallen getan zu haben, den sie ihm durch härtere Arbeit zurückzuzahlen hat. Das fördert natürlich die Neigung der Weibchen, lieber nach einem mittelmäßigen, hart arbeitenden Ehemann Ausschau zu halten, den es dann mit dem tollen Hecht von nebenan betrügt. 24
    Wie dem auch sei, das Prinzip – heirate einen netten Kerl und gönne dir eine Liebschaft mit deinem Chef, oder heirate einen häßlichen Reichen und nimm dir einen hübschen Liebhaber – ist Frauen nicht ganz fremd.
    Man nennt es, die Rosinen aus dem Kuchen picken. Flauberts Emma Bovary wollte beides: den hübschen Liebhaber und den respektablen Ehemann.
    Die Studien an Vögeln wurden meist von Leuten durchgeführt, die von Anthropologie wenig Ahnung haben. Umgekehrt machten sich Ende der achtziger Jahre zwei britische Zoologen daran, Menschen zu betrachten und die Vogelstudien außer acht zu lassen. Robin Baker und Mark Bellis von der Liverpool University wollten wissen, ob es auch beim Menschen zur Spermienkonkurrenz kommt, und falls ja, ob Frauen darüber irgendeine Kontrolle haben. Ihre Ergebnisse warfen ein seltsames und erstaunliches Licht auf den weiblichen Orgasmus.
    Die folgenden Zeilen sind der einzige Abschnitt dieses Buches, in dem Details aus dem Geschlechtsverkehr als evolutionstheoretisches Argument herhalten müssen. Baker und Bellis bestimmten, wieviel Sperma ein Mann im Verlauf einer Ejakulation produziert und was damit geschieht. Sie stellten fest, daß die Spermienmenge, die in der Vagina zurückbleibt, in einem Zusammenhang zur Orgasmusbereitschaft der Frau steht. Hat sie keinen Orgasmus oder erfolgt ihr Orgasmus mehr als eine Minute vor seiner Ejakulation, dann verbleibt in der Vagina nur sehr wenig Sperma. Erfolgt ihr Orgasmus unmittelbar vor seinem oder bis zu fünfundvierzig Minuten nach seinem, dann bleibt der größte Teil der Spermien in der Vagina. Schließlich hängt das Ganze noch davon ab, wieviel Zeit seit dem letzten Geschlechtsverkehr vergangen ist: Je länger der Zeitraum, um so mehr Sperma bleibt in der Vagina – es sei denn, die Frau hatte inzwischen, was die Wissenschaftler einen »nichtkopulatorischen Orgasmus« nennen. Die Empfängnisbereitschaft läßt sich also nur durch eines erhöhen: durch einen späten Orgasmus.
    Bis hierher barg dies alles wenig Überraschungen; zwar war man dieser Tatsachen vor Bellis’ und Bakers Arbeiten (die darin bestanden, ausgewählte Paare zu befragen und viertausend Personen einen Fragebogen in einer Zeitschrift bearbeiten zu lassen) nicht gewahr geworden, sie schienen aber auch nicht von übermäßiger Bedeutung zu sein. Doch Baker und Bellis taten darüber hinaus etwas ausgesprochen Mutiges.
    Sie befragten ihre Testpersonen auch nach eventuellen Seitensprüngen.
    Dabei stellten sie fest, daß bei treuen Frauen etwa fünfundfünfzig Prozent der Orgasmen vom späten (das heißt vom fruchtbaren) Typ waren.
    Bei untreuen Frauen waren es nur vierzig Prozent der Orgasmen mit dem eigentlichen Partner, aber siebzig Prozent der Orgasmen mit dem Liebhaber. Hinzu kam, daß die Frauen – ob bewußt oder unbewußt – an den Tagen des Zyklus mit ihren Liebhabern verkehrten, an denen sie am fruchtbarsten waren. Kombiniert man diese beiden Effekte, kommt man zu dem Schluß, daß selbst dann, wenn die untreuen Frauen mit ihrem Mann doppelt so häufig Geschlechtsverkehr haben wie mit ihrem Liebhaber, die Wahrscheinlichkeit dafür, ein Kind von letzterem zu empfangen, geringfügig größer ist als beim eigenen

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