Eros und Evolution
ihren Ehemännern verlassen zu werden, und deshalb alternative Beziehungen pflegen. Je schlechter ihre Ehe ist, um so größer ist die Wahrscheinlichkeit dafür, daß sie untreu werden. Das ist natürlich ein zweischneidiges Schwert – wenn die Affäre publik wird, kann die Ehe daran zerbrechen. 27
Was immer das Motiv für die Frauen ist, Hill und andere Wissenschaftler sind der Ansicht, daß der Einfluß der Untreue im Zusammenhang mit der Evolution des menschlichen Paarungssystems weitgehend unterschätzt worden ist. In Jäger-und-Sammler-Gemeinschaften würde der männliche Hang zum Opportunismus durch einen Seitensprung weit eher befriedigt als durch Polygamie. Nur in zwei der uns bekannten Jäger-Sammler-Kulturen kommt Polygamie häufig beziehungsweise sehr häufig vor. In allen übrigen findet man kaum einen Mann mit mehr als einer Ehefrau, und noch seltener jemanden mit mehr als zwei Frauen.
Die beiden genannten Ausnahmen bestätigen die Regel. Die eine findet sich bei Indianern im Nordwesten der Vereinigten Staaten, die sich von reichhaltigen und zuverlässigen Lachsvorkommen des Pazifik ernähren und im Grunde hinsichtlich der Möglichkeit, Überflüsse zu horten, mehr Farmern ähneln als Jäger-Sammler-Gemeinschaften. Die andere Ausnahme bilden bestimmte Stämme australischer Ureinwohner, die eine gerontokratische Polygamie praktizieren. Männer heiraten erst, wenn sie vierzig sind, und bis fünfundsechzig haben sie in der Regel bis zu dreißig Frauen versammelt. Bei diesem eigenartigen System aber trügt der Schein gewaltig. Jeder ältere Mann hat jüngere männliche Assistenten, deren Schutz und Hilfe und deren wirtschaftliche Unterstützung er sich unter anderem dadurch erkauft, daß er über deren Affären mit seinen Frauen großzügig hinwegsieht. Der alte Mann schaut einfach nicht hin, wenn sein hilfsbereiter Neffe sich mit einer seiner jüngeren Frauen abgibt. 28
In Jäger-Sammler-Gemeinschaften ist Polygamie selten, doch Seitensprünge, in welcher Form auch immer, geschehen häufig. In Analogie zu monogamen, koloniebildenden Vögeln müßte man erwarten, daß Menschen entweder Partnerbewachung betreiben oder häufige Kopulationen praktizieren. Richard Wrangham spekuliert, Menschen trieben Partnerbewachung in absentia. Männer übertrügen es einem Stellvertreter, ein Auge auf die Gefährtin zu haben. Wenn der Mann sich den ganzen Tag auf der Jagd befindet, kann er seine Mutter oder eine Nachbarin fragen, ob sich in seiner Abwesenheit etwas Besonderes ereignet hat. Bei den von Wrangham befragten Pygmäen Afrikas ist Klatsch allgegenwärtig. Somit besteht die beste Möglichkeit für einen Mann, etwaigen Affären seiner Frau wirkungsvoll zu begegnen, darin, sie wissen zu lassen, daß er über den Klatsch auf dem laufenden ist. Wrangham stellt in diesem Zusammenhang fest, daß dieses ohne Sprache unmöglich ist, und kommt zu dem Schluß, daß die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung, die institutionalisierte Aufzucht von Kindern innerhalb einer Ehe und die Erfindung von Sprache – drei der grundlegendsten Charakteristika der Menschengemeinschaft – sich in Abhängigkeit voneinander entwickelt haben müssen. 29
Weshalb die Knaus-Ogino-Methode versagt
Was geschah, bevor die Sprache eine stellvertretende Partnerüberwachung ermöglichte? Hierzu liefert die Anatomie einen bemerkenswerten Anhaltspunkt. Der vielleicht eigenartigste Unterschied zwischen der Physiologie einer Frau und der einer Schimpansin besteht darin, daß es für jedermann – die betreffende Frau eingeschlossen – unmöglich ist, vorherzusagen, wann genau sie in ihrem Zyklus fruchtbar sein wird. Der menschliche Eisprung ist unsichtbar und nur bedingt vorhersagbar.
Schimpansinnen färben sich pink, Kühe beginnen für einen Bullen unwiderstehlich zu duften, Tigerinnen suchen Tiger aus, Mäuseweibchen becircen Mäuseriche – durch die gesamte Klasse der Säugetiere wird der Tag des Eisprungs mit Pauken und Trompeten verkündet. Nur beim Menschen nicht: eine minimale Änderung der Körpertemperatur, unbemerkt vor der Erfindung des Thermometers, das ist alles. Weibliche Gene scheinen außerordentlich weit zu gehen, um den Augenblick des Eisprungs zu verbergen.
Mit der verborgenen Ovulation kam es zu kontinuierlichem sexuellem Interesse. Obwohl Frauen mit erhöhter Wahrscheinlichkeit am Tag der Ovulation den Geschlechtsverkehr von sich aus beginnen, masturbieren, eine Affäre mit einem Liebhaber haben oder mit ihrem Ehemann
Weitere Kostenlose Bücher