Eros und Evolution
einem Männchen begleitet, das selbst niemals etwas zum Nest beiträgt. Es paßt nur auf. Sobald das Gelege vollendet ist, lockert es seine Bewachung und sucht nach einer Gelegenheit für einen Seitensprung.
Findet ein Schwalbenmännchen seine Partnerin nicht, läßt es häufig einen lauten Alarmruf ertönen, durch den alle Schwalben auffliegen, so daß jeder Akt der Untreue wirksam unterbrochen wird. Trifft sich das Paar nach einer Trennung wieder oder wurde soeben ein fremdes Männchen aus dem Revier vertrieben, kopuliert das Männchen häufig unmittelbar danach mit dem Weibchen, als wolle es sicherstellen, daß seine Spermien in der Lage sind, mit denen des Eindringlings zu konkurrieren.
Im allgemeinen funktioniert diese Methode. Bei Arten mit einer effizienten Partnerbewachung ist die Seitensprungrate relativ gering.
Manche Arten können es sich nicht leisten, den Partner zu bewachen. Bei Reihern und Greifvögeln zum Beispiel verbringen Männchen und Weibchen den Tag in erster Linie getrennt, der eine bewacht das Nest, der andere sorgt für Nahrung. Bei diesen Arten findet sich charakteristischerweise eine extrem hohe Kopulationshäufigkeit. Hühnerhabichte haben mehrere hundert Kopulationen pro Gelege. Das verhindert Seitensprünge zwar nicht, verdünnt aber deren Auswirkungen. 26
Menschen leben ähnlich wie Reiher und Schwalben als monogame Paare innerhalb großer Kolonien. Väter helfen bei der Aufzucht der Jungen, und sei es nur durch das Herbeischaffen von Nahrung oder Geld. Und schließlich ist von ausschlaggebender Bedeutung, daß auch beim Menschen aufgrund der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung, die es bereits zu Zeiten früher Jäger-und-Sammler-Lebensgemeinschaften gab (grob gesprochen: Männer jagen, Frauen sammeln), die Geschlechter über längere Zeiträume getrennt sind. Damit haben Frauen hinreichend Gelegenheit zu einem Seitensprung, und Männer haben hinreichend Veranlassung, ihre Partnerinnen zu bewachen oder, wenn das nicht geht, häufig mit ihnen zu kopulieren.
Anschaulich zu zeigen, daß Untreue ein chronisches Problem aller menschlichen Gesellschaften ist und keineswegs eine Anomalie in Großbritanniens Hochhäusern, erweist sich als schwierig: zum einen weil die Antwort so offensichtlich ist, daß niemand sich mit der Frage beschäftigt hat, zum anderen weil Seitensprünge so einmütig geheimgehalten werden, daß die Sache sich schwer untersuchen läßt. Vögel zu beobachten ist einfacher.
Nichtsdestoweniger hat man den Versuch unternommen. Die etwa fünfhundertsiebzig Angehörigen des Ache-Volkes in Paraguay waren bis 1971 Jäger und Sammler und lebten in zwölf Gruppen zusammen. Danach kamen sie allmählich mit der Außenwelt in Berührung und wurden schließlich dazu gebracht, unter missionarischer Leitung in Reservaten der Regierung zu leben. Heute ernähren sie sich nicht mehr von gejagtem Wild und gesammelten Früchten, sondern bauen die meisten Nahrungsmittel in Gärten an. Doch als sie noch für einen Großteil ihrer Nahrung auf das Jagdgeschick der Männer angewiesen waren, stellte Kim Hill ein erstaunliches Muster fest. Ache-Männer gaben Fleisch, das sie selbst nicht benötigten, an Frauen weiter, mit denen sie eine sexuelle Beziehung eingehen wollten. Das geschah keineswegs mit dem Ziel, Kinder zu ernähren, deren Väter sie möglicherweise waren, sondern als direkte Bezahlung für eine Affäre. Es war nicht leicht gewesen, das herauszufinden. Hill mußte feststellen, daß er Fragen zum Thema Untreue in zunehmendem Maße aus den Befragungen streichen mußte, weil die Ache unter dem missionarischen Einfluß dieses Thema als immer heikler empfanden. Vor allem die Häuptlinge zögerten, darüber zu sprechen, was nicht verwundert, waren doch sie diejenigen mit den meisten Affären. Hill begann damit, Klatsch in seine Untersuchungen einzubeziehen, und war dadurch in der Lage, sich ein Bild von Treue und Untreue bei den Ache zu machen. Wie erwartet, waren die ranghohen Männer am stärksten in Affären verwickelt, ganz im Einklang mit der Vorstellung von den Rosinen aus dem genetischen Kuchen. Im Unterschied zur Vogelwelt aber waren es nicht nur die Weibchen rangniederer Männer, die sich auf Affären einließen. Ein Ache-Mann mit ehebrecherischen Absichten versucht in der Tat häufig, seine Partnerinnen mit Fleischgeschenken zu gewinnen, aber ein noch wichtigeres Motiv ist in diesem Zusammenhang nach Hills Ansicht die Tatsache, daß Ache-Frauen ständig damit rechnen, von
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