Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eros und Evolution

Eros und Evolution

Titel: Eros und Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ridley
Vom Netzwerk:
Beifußhühnern ein Männchen innerhalb weniger Wochen bis zu fünfzig Weibchen begatten muß, sind dagegen ungewöhnlich klein. Des Rätsels Lösung besteht darin, daß eine Beifußhenne sich nur ein- oder zweimal paart, und dann auch nur mit jeweils einem Männchen. Erinnern wir uns, das ist der einzige Zweck der Weibchenwahl auf dem Balzplatz. Der Champion muß zwar viele Hennen begatten, aber braucht jeweils nur eine geringe Spermienmenge abzugeben, denn er hat keine Konkurrenz.
    Die Hodengröße wird also nicht durch die Häufigkeit der Paarung bestimmt, sondern durch die Anzahl der männlichen Konkurrenten.
    Monogame Arten liegen irgendwo dazwischen. Manche von ihnen haben relativ kleine Hoden, was auf ein geringes Maß an Spermienkonkurrenz schließen läßt. Andere haben riesenhafte Testikel von nahezu derselben Größe, wie man sie auch bei Vögeln findet, die in Polyandrie leben. Birkhead und Møller erkannten, daß Vögel mit großen Testikeln vor allem in Kolonien leben: Seevögel, Schwalben, Bienenesser, Reiher und Spatzen. Solche Kolonien geben den Weibchen reichlich Gelegenheit zur Untreue mit dem Männchen von nebenan, Gelegenheiten, die diese sich offenbar nicht entgehen lassen. 19
    Bill Hamilton ist der Überzeugung, daß hier auch die Erklärung dafür zu suchen ist, weshalb bei so vielen »monogamen« Vogelarten die Männchen prächtiger sind als die Weibchen. Die von Darwin erwogene traditionelle Erklärung lautet, das prächtigste Männchen oder der beste Sänger könne als erster die Weibchen zu sich locken – und ein frühes Gelege ist meist ein erfolgreiches Gelege. Sicher ist etwas daran, doch erklärt dies nicht, weshalb bei vielen Arten der Gesang noch lange andauert, wenn das Männchen längst sein Weibchen gefunden hat. Hamilton vermutet, daß ein prächtiges Männchen nicht wie ein Pfau versucht, mehr Ehefrauen zu bekommen, sondern daß er um Geliebte wirbt. Er verkündet seine Bereitschaft zu einer »Affäre«. Wie Hamilton es ausdrückte: »Warum hat sich Beau Brummel im Regency-England denn so herausgeputzt? Wollte er eine Frau finden oder eine ›Affäre‹?« 20

Emma Bovary und die Schwalben
    Was haben die Vögel davon? Bei den Männchen liegt es auf der Hand: Ehebrecher werden häufiger Vater. Was die Weibchen betrifft, so ist aber nicht einzusehen, weshalb sie so häufig untreu sein sollten.
    Birkhead und Møller verwarfen zunächst zahlreiche Überlegungen: Daß weibliche Untreue eine Art genetisches Beiprodukt des männlichen Bedürfnisses nach Untreue ist; daß das Weibchen durch Spermien verschiedener Herkunft sicherstellen will, daß zumindest ein Teil davon fruchtbar ist; daß es von abenteuerlustigen Männchen verführt wird (wie dies bei manchen Menschen- und Menschenaffenlebensgemeinschaften der Fall zu sein scheint). Nichts davon paßte zu den Tatsachen.
    Auch ließ sich das Ganze nicht auf den weiblichen Wunsch nach genetischer Vielfalt schieben. Es scheint wenig sinnvoll zu sein, unterschiedlichere Kinder haben zu wollen, als man ohnehin bekommt.
    Birkhead und Møller gewannen den Eindruck, daß Vogelweibchen von ihrer Promiskuität deshalb profitieren, weil sie sich dadurch die Rosinen aus dem genetischen Kuchen herauspicken können – nach der Emma-Bovary-Strategie ehelicher Untreue. Eine Schwälbin braucht einen Ehemann, der ihr bei der Aufzucht ihrer Jungen hilft, unter Umständen kommt sie aber erst ins Brutgebiet, wenn die besten Männer schon vergeben sind. Die beste Taktik für sie besteht nun darin, sich für einen mittelmäßigen Ehemann oder einen Ehemann mit einem guten Nistplatz zu entscheiden und eine Affäre mit seinem genetisch überlegenen Nachbarn einzugehen. Vieles spricht für diese Theorie: Schwalbenweibchen wählen für ihren Seitensprung stets Männchen, die dominanter, älter und attraktiver sind (das heißt, längere Schwanzfedern haben) als ihre Ehemänner. Sie haben keine »Affären« mit Junggesellen (die vermutlich bereits von anderen Weibchen abgewiesen wurden), sondern stets mit den Ehemännern anderer Weibchen, und sie stacheln potentielle Liebhaber gelegentlich zu Wettkämpfen an und entscheiden sich dann für den Gewinner. In Møllers Studien gewannen Männchen mit künstlich verlängerten Schwanzfedern zehn Tage früher ein Weibchen als andere, hatten mit einer achtfach erhöhten Wahrscheinlichkeit eine zweite Brut und eine doppelt so große Chance, die Frau des Nachbarn zu verführen, wie gewöhnliche Schwalbenmännchen. 21 (Wenn

Weitere Kostenlose Bücher