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Eros und Evolution

Eros und Evolution

Titel: Eros und Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ridley
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Mann.
    Baker und Bellis sehen ihre Ergebnisse als Beweis für ein evolutionsgeschichtliches Wettrüsten zwischen Männern und Frauen, einen Rote-Königin-Wettstreit, aber einen, bei dem das weibliche Geschlecht einen Schritt voraus ist. Der Mann versucht, seine Chancen auf eine Vaterschaft in jeder Weise zu erhöhen. Ein großer Teil seiner Spermien macht nicht einmal den Versuch, ein Ei zu befruchten, sondern greift statt dessen andere Spermien an oder blockiert deren Durchtritt. Das männliche Sexualverhalten ist durch diese und andere Mechanismen darauf angelegt, die Chancen für die Befruchtung eines Eies zu erhöhen.
    Die Frauen aber haben ein ausgefeiltes System von Techniken entwickelt, eine Empfängnis zu verhüten, es sei denn sie geschieht zu ihren Bedingungen. Durch den klugen Einsatz ihres Orgasmus sind sie im Grunde in der Lage, zu bestimmen, von welchem ihrer Liebhaber sie ein Kind empfangen wollen. Natürlich wußten Frauen das bisher nicht und setzten dieses Mittel deshalb nicht bewußt ein. Das Erstaunliche aber ist, daß sie es Bellis’ und Bakers Untersuchungen zufolge dennoch, wenn auch unbewußt, tun. Das nun wiederum ist typisch für evolutionsbiologische Erklärungen. Warum haben Frauen überhaupt Sex? Weil sie es bewußt wollen. Warum aber sollten sie es unbewußt wollen? Weil Sexualität zur Reproduktion führt und sie als Nachfahren zweier Leute, die sich fortgepflanzt haben, der Masse derer angehören müssen, die danach streben, Dinge zu tun, die zur Reproduktion führen. Das Ganze ist nichts anderes als eine andere Darstellung desselben Arguments: Das typische Bild der Verteilung von weiblicher Untreue und weiblichen Orgasmen entspricht genau dem Muster, das man erwarten würde, wenn eine Frau unbewußt danach strebt, ein Kind von ihrem Liebhaber zu bekommen, ohne ihren Ehemann zu verlassen.
    Bellis und Baker behaupten nicht, mehr gefunden zu haben als einen verführerischen Hinweis, aber sie haben versucht, der Ursache, weshalb uneheliche Elternschaft so häufig ist, nachzugehen. In einem Wohnblock in Liverpool stellten sie anhand genetischer Tests fest, daß weniger als vier von fünf Personen Söhne ihrer offiziellen Väter waren.
    Mehr als zwanzig Prozent der Befragten hatten offenbar einen anderen Vater. Um zu kontrollieren, ob das nur für Liverpool zutraf, führten sie dieselben Untersuchungen in Südengland durch und kamen zu demselben Ergebnis. Aus ihren früheren Arbeiten wissen wir, daß auch ein geringes Maß an Untreue ein größeres Maß an unehelicher Elternschaft nach sich ziehen kann – durch den soeben beschriebenen Orgasmuseffekt. Frauen schlagen vielleicht – ganz unbewußt – genau wie Vögel zwei Fliegen mit einer Klappe und haben sexuelle Beziehungen zu einem genetisch überlegeneren Mann, ohne den Ehemann verlassen zu müssen.
    Wie steht es mit den Männern? Baker und Bellis führten ein Experiment an Ratten durch und stellten fest, daß ein Rattenmännchen doppelt soviel Sperma ejakuliert, wenn es weiß, daß das Weibchen vor kurzem mit einem anderen Männchen zusammengewesen ist. Das unerschrockene Gespann Baker und Bellis begann nun unverzüglich nachzuforschen, ob dies bei Menschen ebenso ist. Und natürlich ist es so. Männer, deren Frauen den ganzen Tag mit ihnen zusammen waren, ejakulierten weit geringere Spermienmengen als Männer, deren Frauen den ganzen Tag von ihnen getrennt waren. Es sieht so aus, als kompensierten Männer unbewußt eine eventuelle weibliche Untreue. In diesem speziellen Wettstreit der Geschlechter aber haben Frauen die Oberhand, denn selbst wenn ein Mann – wiederum unbewußt – beginnen sollte, das Fehlen später Orgasmen bei seiner Frau mit ihrem Bestreben, nicht schwanger zu werden, in Verbindung zu bringen, kann sie ihn immer noch hintergehen – und ihm die Orgasmen vorspielen. 25

Verfolgungswahn und Eifersucht
    Nun bleibt der Gehörnte aber nicht untätig und ergibt sich nicht ohne weiteres bis zur Auslöschung seiner Gene seinem evolutionären Schicksal. Birkhead und Møller sind der Ansicht, ein großer Teil des Verhaltens von Vogelmännchen lasse sich durch die Annahme erklären, Männchen müßten ständig in Furcht vor der Untreue ihrer Weibchen leben. Die erste Strategie wäre, das Weibchen für die Dauer seiner Fruchtbarkeit (jeweils ein bis zwei Tage, bevor es ein Ei legt) zu bewachen. Viele Vogelmännchen tun dies. Sie folgen dem Weibchen überallhin. Häufig wird ein Vogelweibchen beim Nestbau auf jedem Flug von

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