Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eros und Evolution

Eros und Evolution

Titel: Eros und Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ridley
Vom Netzwerk:
mit anderen Weibchen zu teilen. Viele Männchen – vor allem die älteren – tauschen ihre Weibchen allerdings gegen jüngere aus und hintergehen andere Männchen, indem sie deren Weibchen (mit deren Zustimmung) heimlich verführen.
    Nicht die Details des Spatzenlebens sind das eigentlich Wichtige – es bestehen deutliche Unterschiede, unter anderem angesichts der Tatsache, daß die Verteilung von Dominanz, Macht und Ressourcen innerhalb der Kolonie beim Menschen sehr viel ungleichmäßiger ist als bei Spatzen –, sondern daß sie trotz allem das Hauptmerkmal aller koloniebildenden Vögel teilen: Monogamie oder zumindest Paarbindung plus reichlich Gelegenheit zur Untreue anstelle etablierter Polygamie. Der edle Wilde ist weit davon entfernt, in zufriedenem sexuellem Gleichmut zu existieren, sondern er lebt in steter Furcht davor, betrogen zu werden – und in stetem Bestreben, seinen Nachbarn ebendies anzutun. So nimmt es nicht wunder, daß beim Menschen Sex in allen Lebensgemeinschaften in erster Linie eine Privatangelegenheit ist und nur im geheimen stattfindet. Für Bonobos gilt solches nicht, wohl aber für viele monogame Vogelspezies. Einer der Gründe, weshalb die hohe Rate an unehelichem Nachwuchs bei Vögeln eine solche Überraschung war, ist der, daß nur wenige Naturforscher jemals einen Vogel in flagranti beobachtet haben: Auch bei den Vögeln geschieht das heimlich. 39

Das grünäugige Monster
    Die Angst, betrogen zu werden, sitzt bei Männern tief. Der Einsatz von Schleiern, Anstandsdamen, Abschirmung der Frauen und Keuschheitsgürteln legt Zeugnis ab von der männlichen Angst, zum Hahnrei gemacht zu werden, und von der weitverbreiteten Überzeugung, man habe Frauen, ebenso wie sämtlichen potentiellen Liebhabern, zu mißtrauen. Margo Wilson und Martin Daly von der McMaster University in Kanada haben sich mit dem Phänomen Eifersucht auseinandergesetzt und sind zu dem Schluß gekommen, daß die Fakten in eine evolutionsbiologische Erklärung passen. Eifersucht ist ein »menschliches Allgemeingut«, sie fehlt in keiner Kultur. Trotz aller Bemühungen der Anthropologen, eine Gesellschaft ohne Eifersucht zu finden und den Nachweis zu erbringen, daß es sich um ein Gefühl handelt, welches durch unheilvollen sozialen Druck oder aus pathologischen Gründen entsteht, ist ihnen das nicht gelungen. Die sexuelle Eifersucht scheint ein unausweichlicher Bestandteil der menschlichen Natur zu sein.
     
    Der Dämon Eifersucht, mit Gorgos Fratze,
Die süßen Knospen fremder Lust zerfetzt,
Durch zitternd’ Hain verfolgt er, wilde Augen stier,
Die Schritte arglos liebender Begier. 40
    Erasmus Darwin
     
    Wilson und Daly sind der Ansicht, eine Untersuchung der menschlichen Gesellschaft würde eine Geisteshaltung offenbaren, deren Manifestationen sich im Detail zwar unterschieden, die aber insgesamt »von monotoner Gleichförmigkeit« wäre. Es gibt »die gesellschaftlich anerkannte Ehe, die Vorstellung, daß Ehebruch eine Eigentumsverletzung darstellt, die Wertschätzung weiblicher Keuschheit, die Gleichsetzung des ›Schutzes‹ von Frauen mit dem Schutz vor sexuellen Kontakten und die besondere Konstellation, daß Untreue als Gewaltprovokation zu sehen sei«. Kurz: Stets und überall verhalten sich Männer so, als gehöre ihnen die Vagina ihrer Ehefrau. 41
    Wilson und Daly denken auch über die Tatsache nach, daß Liebe ein bewundertes Gefühl ist, Eifersucht hingegen verachtet wird, obgleich doch beide nichts anderes sind als zwei Seiten derselben Medaille – wie jedermann, der einmal verliebt war, bezeugen kann –, denn beide sind Teil eines sexuellen Besitzanspruchs. Wie so manches moderne Paar weiß, ist eine Beziehung nicht harmonischer, wenn die Eifersucht fehlt.
    Wenn er oder sie nicht eifersüchtig ist, wenn der andere sich einem anderen Mann beziehungsweise einer anderen Frau zuwendet, dann ist es ihm oder ihr gleichgültig geworden, ob die Beziehung bestehenbleibt.
    Psychologen haben festgestellt, daß Paare, bei denen es nie zur Eifersucht kommt, mit geringerer Wahrscheinlichkeit zusammenbleiben als Paare, in denen die Partner eifersüchtig aufeinander sind.
    Wie Othello feststellen mußte, reicht oft bereits der Verdacht auf weibliche Untreue aus, einen Mann in solchen Zorn zu versetzen, daß er imstande ist, seine Frau zu töten. Othello ist eine Phantasiegestalt, doch so manche moderne Desdemona hat die Eifersucht ihres Ehemanns mit dem Leben bezahlt. Wie Wilson und Daly feststellen: »Die

Weitere Kostenlose Bücher