Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eros und Evolution

Eros und Evolution

Titel: Eros und Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ridley
Vom Netzwerk:
Konfliktursache in den allermeisten Fällen von Gattenmord ist das Wissen oder der Verdacht eines Mannes, daß seine Frau ihm untreu ist oder ihn zu verlassen beabsichtigt.« Einer der Gründe dafür, daß ein Mann, der seine Frau in einem Anfall eifersüchtiger Raserei tötet, vor Gericht kaum auf geistige Unzurechnungsfähigkeit plädieren kann, besteht in der juristischen Tradition der angloamerikanischen Rechtsprechung, der zufolge eine solche Handlung als »die Reaktion eines vernünftigen Mannes« anzusehen ist. 42
    Eine solche Interpretation der Eifersucht mag verblüffend banal erscheinen. Schließlich bedeutet sie nichts anderes, als daß einer Sache, die jedermann aus dem täglichen Leben kennt, im nachhinein ein evolutionsbiologischer Dreh verliehen wird. Bei den Soziologen und Psychologen jedoch gilt solches als ketzerischer Unsinn. Psychologen sehen Eifersucht als pathologische Entwicklung, die es zu verhindern gilt und die allgemein als schändlich zu betrachten ist – etwas, das jene immerwährend Böses hervorbringende »Gesellschaft« dem Menschen aufbürdet, um dadurch sein Wesen zu verderben. Eifersucht läßt auf geringe Selbstachtung schließen, so sagen sie, und sie zeugt von emotionaler Abhängigkeit. Genau das tut sie, und genau das ist es, was die Evolutionstheorie voraussagt. Ein Mann, der von seiner Frau nicht geachtet wird, ist genau der Typ, der Gefahr läuft, hintergangen zu werden, hat sie doch ein Motiv, sich für ihre Kinder einen anderen Vater zu suchen.
    Dies könnte sogar die außerordentliche und bis jetzt rätselhafte Tatsache erklären, weshalb die Ehemänner von Vergewaltigungsopfern eher seelisch verletzt sind und – ihrem eigenen besseren Wissen zuwider – ihre vergewaltigten Frauen eher ablehnen, wenn die Frauen nicht körperlich verletzt wurden. Eine Verletzung ist ihnen Beweis für deren Widerstand. Ehemänner mögen durch die Evolution dahingehend programmiert sein, den paranoiden Verdacht zu hegen, ihre Frauen seien überhaupt nicht vergewaltigt worden oder hätten gar »darum gebeten«. 43
    Untreue ist ein asymmetrisches Schicksal. Eine Frau verliert keinerlei genetische Investition, wenn ihr Mann untreu ist, ein Mann aber riskiert, unwissentlich ein fremdes Kind großzuziehen. Als wollten sie die Väter beruhigen, erklären die Leute mit merkwürdig größerer Häufigkeit – wie die Forschung festgestellt hat –, ein Kind sei »ganz der Papa«, als daß sie sagen, es sei »ganz die Mama« – und es ist vor allem die mütterliche Verwandtschaft, die dies bekräftigt. 44 Nicht daß eine Frau sich angesichts möglicher Untreue ihres Mannes nicht zu sorgen hätte: Sie könnte dazu führen, daß er sie verläßt, daß er Zeit und Geld auf die Geliebte verschwendet oder daß er sich eine unangenehme Krankheit holt.
    Es besagt letztendlich, daß Männer hinsichtlich der Untreue ihrer Frau stärker beunruhigt sind als umgekehrt. Geschichte und Gesetzgebung sind voll von solchen Beispielen. In den meisten Kulturen galt ein weiblicher Seitensprung als illegal und wurde schwer bestraft, während die Untreue des Ehemanns eher verziehen oder nur leicht bestraft wurde.
    In Großbritannien konnte ein gekränkter Ehemann noch im neunzehnten Jahrhundert gegen einen Ehebrecher einen Prozeß aufgrund des Tatbestands der criminal conversation anstrengen. 45 Selbst bei den Trobriand-Insulanern, noch 1927 von Bronislaw Malinowski als ein sexuell ungehemmtes Volk gefeiert, wurden Ehebrecherinnen mit dem Tode bestraft. 46
    Diese Form des Messens mit zweierlei Maß ist ein glänzendes Beispiel für gesellschaftlichen Sexismus, und sie wird in aller Regel als »genau das und sonst nichts« abgetan. Und doch verhält sich das Gesetz in bezug auf andere Verbrechen keineswegs sexistisch: Für Mord und Diebstahl wurden Frauen niemals härter bestraft als Männer, zumindest war solches nicht von Gesetzes wegen vorgesehen. Warum ist Untreue ein so besonderer Fall? Weil die Ehre des Mannes auf dem Spiel steht? Dann bestrafe man den untreuen Mann entsprechend hart, als Abschreckungsmittel wäre das nicht minder wirkungsvoll. Weil Männer im Kampf der Geschlechter zusammenhalten? Das tun sie in keinem anderen Fall. Das Gesetz ist hier recht deutlich: Alle bisher untersuchten Gesetzessammlungen definieren Ehebruch »hinsichtlich des verheirateten Status der Frau. Ob der ehebrecherische Mann auch verheiratet war, ist gleichgültig«. 47 Das ist deshalb so, weil »nicht der Ehebruch selbst bestraft

Weitere Kostenlose Bücher