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Eros und Evolution

Eros und Evolution

Titel: Eros und Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ridley
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zusammen sind 30 , so bleibt es doch unbestreitbar, daß Menschen beiderlei Geschlechts zu jedem Zeitpunkt im Zyklus an sexuellen Aktivitäten interessiert sind. Sowohl Männer als auch Frauen haben Geschlechtsverkehr, wann immer sie das Bedürfnis danach verspüren, ohne Rücksicht auf hormonelle Ereignisse. Im Vergleich zu vielen anderen Tieren sind wir erstaunlich kopulationssüchtig. Desmond Morris bezeichnete den Menschen einmal als den »sexbesessensten lebenden Primaten« 31 (er sagte das allerdings, bevor sich jemand mit Bonobos beschäftigt hatte). Bei anderen Tieren mit hoher Kopulationsfrequenz – Löwen, Bonobos, Eichelspechten, Hühnerhabichten und weißen Ibissen – läßt sich dies auf die Spermienkonkurrenz zurückführen. Die Männchen der ersten drei Spezies leben in Gruppen mit einem gemeinsamen Zugang zu den Weibchen, so daß jedes Männchen gezwungen ist, so häufig wie möglich zu kopulieren, wenn es nicht riskieren will, daß die Spermien eines anderen Männchens das Ei vor den seinen erreichen.
    Hühnerhabichte und weiße Ibisse dagegen versuchen, sämtliche Spermien auszudünnen, die das Weibchen empfangen haben könnte, während sie »geschäftlich unterwegs« waren. Da die Menschheit ganz offensichtlich nicht in Promiskuität leben kann – selbst die bestorganisierte Kommune mit noch so freizügig gesonnenen Mitgliedern zerfällt über kurz oder lang unter dem Druck von Eifersucht und Besitzansprüchen –, scheint wohl der Fall des Ibisses am ehesten von einer gewissen Aussagekraft für den Menschen zu sein: ein koloniebildender, monogamer Vogel, den die Furcht vor Seitensprüngen zu häufigen Kopulationen veranlaßt. Nun muß allerdings das Ibismännchen seine Sechsmal-am-Tag-Sexpraxis nur jeweils ein paar Tage pro Saison unmittelbar vor der Eiablage durchhalten. Männer müssen über Jahre hinweg zweimal die Woche Sex praktizieren. 32
    Die verborgene Ovulation hat sich im Laufe der Evolution jedoch sicher nicht männlicher Bedürfnisse wegen entwickelt. In den späten siebziger Jahren gab es einen Wust spekulativer Theorien über ihre evolutionsbiologische Ursache. Ein großer Teil der Überlegungen läßt sich nur auf den Menschen anwenden – beispielsweise Nancy Burleys These, daß unsere weiblichen Vorfahren mit verborgenem Eisprung gelernt haben könnten, während ihrer fruchtbaren Tage abstinent zu bleiben, um das höchst schmerzhafte und gefährliche Unternehmen Geburt zu umgehen. Solche Frauen hätten jedoch keine Nachkommen, so daß die menschliche Rasse von den wenigen Ausnahmen abstammen müßte, die ihren Eisprung nicht fühlten – und doch ist die verborgene Ovulation etwas, das wir zumindest mit einigen wenigen Affen und mindestens einem Menschenaffen (dem Orang-Utan) teilen. Außerdem haben wir diese Eigenschaft mit nahezu allen Vögeln gemeinsam. Es ist lediglich unsere lächerlich engstirnige anthropozentrische Sichtweise, die uns glauben machen will, verborgene Ovulation sei etwas Besonderes.
    Dennoch ist es der Mühe wert, sich die Erklärungsversuche für das, was Robert Smith einst als menschliche »reproduktive Unergründlichkeit« bezeichnet hatte, genauer anzusehen, denn sie werfen ein interessantes Licht auf die Theorie der Spermienkonkurrenz. Es sind zwei Arten von Argumenten: jene, die davon ausgehen, ein verborgener Eisprung stelle sicher, daß Väter ihre Jungen nicht verlassen, und jene, die genau das Gegenteil davon annehmen. Die erste Art von Begründung klingt so: Da ein Mann nicht weiß, wann seine Frau fruchtbar ist, muß er in ihrer Nähe bleiben und häufigen Geschlechtsverkehr mit ihr haben, um sicherzustellen, daß er der Vater ihrer Kinder ist. Das bewahrt ihn vor Unheil und sorgt dafür, daß er zur Stelle ist, um sich an der Babypflege zu beteiligen. 33
    Die andere Sorte von Argumenten hörte sich so an: Wenn Frauen ihre Partnerwahl sorgfältig und überlegt treffen wollen, dann ist es wenig sinnvoll, den Eisprung an die große Glocke zu hängen. Ein sichtbarer Eisprung würde viele Männer anziehen, die entweder um das Recht auf die Frau kämpfen oder sie miteinander teilen würden. Falls ein Weibchen sich aus Gründen der Verteilung möglicher Vaterschaft für die Promiskuität entscheidet (oder hierzu geschaffen ist), wie dies bei Schimpansen der Fall ist, oder wenn es einen Wettstreit entfachen will, damit ihm das beste Männchen zufällt, wie es bei See-Elefanten der Fall ist, dann zahlt es sich aus, den Zeitpunkt der Ovulation publik zu

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