Eros und Evolution
und Frau? In den vorangegangenen beiden Kapiteln habe ich den Standpunkt vertreten, daß für Männer der reproduktive Gewinn höher ist als für Frauen, so daß sie mit großer Wahrscheinlichkeit zur Ausübung von Macht, zur Kontrolle von Wohlstand und zum Streben nach Ruhm neigen. Das hatte zur Folge, daß Frauen ihr eigenes Streben nach Macht, Reichtum oder Ruhm eher in einer festen Beziehung verwirklichen konnten als ein Mann. Frauen, die dementsprechend handelten, hinterließen somit vermutlich mehr Nachfahren unter den heutigen Frauen als andere. Die evolutionsbiologische Schlußfolgerung lautet also, Frauen bevorzugen sehr wahrscheinlich reiche und mächtige Partner. Eine andere Sichtweise desselben Phänomens führt zur Überlegung, auf was eine Frau es bei einem Mann am ehesten abgesehen haben mußte, wenn sie Anzahl und Gesundheit ihrer Kinder optimieren wollte. Die Antwort lautet nicht: mehr Sperma, sondern: mehr Geld, mehr Rinder, mehr verbündete Stammesbrüder oder was auch immer für sie von Bedeutung gewesen sein mag.
Ein Mann dagegen sucht eine Partnerin, die sein Sperma und sein Geld einsetzt, um seine Kinder zur Welt zu bringen. Er hat deshalb immer einen starken Antrieb, bei seinen Partnerinnen Wert auf Jugend und Gesundheit zu legen. Männer, die es vorzogen, vierzigjährige Frauen statt Zwanzigjähriger zu heiraten, hatten nur eine geringe Chance, überhaupt Kinder zu bekommen, und wenn, dann sicher nicht mehr als eines oder zwei. Darüber hinaus liefen sie Gefahr, ein paar Stiefkinder aus einer vorangegangenen Ehe mit zu übernehmen. Damit hinterließen sie weniger Nachfahren als Männer, die sich immer für die jüngsten, gerade der Pubertät entwachsenen Frauen entschieden. Wir würden deshalb erwarten, daß Frauen auf Zeichen von Wohlstand und Macht ansprechen, Männer dagegen auf Zeichen von Jugend und Gesundheit.
Das mag erstaunlich trivial klingen. Nancy Thornhill dazu: »Es wird doch wohl niemand je ernstlich bezweifeln wollen, daß Männer junge, schöne Frauen begehren und daß Frauen reiche Männer von hohem Rang bevorzugen?« 30 Darauf ist zu antworten, daß Soziologen solches durchaus bezweifeln. Wenn man von ihrer Reaktion auf eine vor kurzem erschienene Studie ausgeht, dann wird klar, daß man sie nur durch die unerschütterlichsten Beweise wird überzeugen können. Die Studie stammt von David Buss von der University of Michigan, der eine groß angelegte Frageaktion unter amerikanischen Studenten durchgeführt hat, indem er sie bat, die Qualitäten, die sie an ihrem jeweiligen Partner am meisten schätzten, in der Reihenfolge ihrer Bedeutung aufzulisten.
Er stellte fest, daß Männer Freundlichkeit, Intelligenz, Schönheit und Jugend bevorzugten, während Frauen auf Freundlichkeit, Intelligenz, Wohlstand und Status Wert legten. Man warf ihm vor, das gelte nur in Amerika und sei keine universelle Facette der menschlichen Natur.
Er wiederholte daher die Untersuchung siebenunddreißigmal in dreiunddreißig verschiedenen Ländern, wobei er mehr als eintausend Menschen befragte – und kam zu genau demselben Ergebnis. Männer achten mehr auf Schönheit und Jugend, Frauen auf Wohlstand und Status.
Darauf erhielt er zur Antwort: Natürlich achten Frauen auf Wohlstand, schließlich wird dieser von Männern kontrolliert. Kontrollierten Frauen den Reichtum, könnten sie ihn nicht bei ihren Gatten suchen. Buss schaute nochmals hin und stellte fest, daß amerikanische Frauen, die überdurchschnittlich gut verdienen, mehr und nicht weniger Wert auf den Wohlstand potentieller Ehemänner legen als Frauen mit durchschnittlichem Verdienst. 31 Karrierefrauen maßen der Fähigkeit ihrer Ehemänner zum Geldverdienen mehr Bedeutung zu als Frauen mit niedrigem Einkommen. Eine Umfrage unter den fünfzehn einflußreichsten Vertreterinnen der feministischen Bewegung enthüllte, daß sie sich Partner wünschten, die noch einflußreicher waren als sie selbst. Buss’ Kollege Bruce Ellis drückte es so aus: »Die sexuellen Ansprüche von Frauen steigen mit zunehmendem Wohlstand, Einfluß und Sozialstatus, statt zu sinken.« 32
Etliche seiner Kritiker werfen Buss vor, er lasse die Umstände völlig außer acht. In verschiedenen Kulturen und zu verschiedenen Zeitpunkten werden sich auch verschiedene Kriterien der Partnerwahl entwickeln. Buss antwortet darauf mit einer einfachen Analogie. Die Muskelmasse bei einem durchschnittlichen Mann ist in hohem Maße von den Umständen abhängig: In Amerika haben
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