Eros und Evolution
Frauen galt das Umgekehrte; sie konzentrierten sich mit doppelt so hoher Wahrscheinlichkeit auf ihre eigenen Reaktionen, nicht auf die des Partners. Die Phantasien von Frauen beschäftigten sich außerordentlich häufig mit sexuellen Beziehungen zu einer vertrauten Person. 35
Diese Ergebnisse stehen nicht allein da. Jede andere Studie zu sexuellen Phantasien kam zu dem Schluß, daß »sexuelle Phantasien bei Männern allgegenwärtig, aktiver, häufiger, in erster Linie visuell orientiert und ausschließlich sexuell sind und wechselnde Beziehungen dokumentieren. Sexuelle Phantasien von Frauen hingegen stehen eher in einem Zusammenhang, sind gefühlsbetont, intim und passiv«. 36 Wir sind übrigens nicht allein auf solche Umfragen angewiesen. Zwei Industriezweige beuten ruhelos die sexuellen Phantasien von Männern und Frauen aus: die Verleger von Pornographie und die Verleger von Liebesromanen. Pornographie zielt nahezu ausschließlich auf Männer. Auf der ganzen Welt gehorcht sie denselben Standardformeln: Softpornos bestehen aus Bildern nackter oder halbnackter Frauen in provokativen Positionen. Männer werden durch solche Bilder erregt, während die Bilder nackter (anonymer) Männer auf Frauen nicht übermäßig erregend wirken. »Der Hang, sich von dem bloßen Anblick eines Mannes erregen zu lassen, würde zu wahllosen sexuellen Beziehungen führen, von denen eine Frau in reproduktiver Hinsicht nicht viel zu erwarten, durch die sie aber eine Menge zu verlieren hätte.« 37
Harte Pornos stellen den Geschlechtsakt selbst dar und handeln nahezu immer von der Befriedigung männlicher Lust durch (mehrere) willfährige, leicht zu erregende, körperlich attraktive Frauen (oder, bei Schwulenpornos, Männer). Zusammenhänge, Handlung, Flirt, Werbung, sogar ein ausführlicheres Vorspiel fehlen dabei mehr oder weniger. Es gibt keine verbindenden Verhältnisse zwischen den Partnern, sie werden mehr oder weniger als Fremde dargestellt. Zwei Wissenschaftler zeigten heterosexuellen Studenten pornographische Filme und bestimmten das Ausmaß der hervorgerufenen Erregung. Das beobachtete Muster entspricht genau dem, was man logischerweise erwarten würde. Erstens: Männer wurden stärker erregt als Frauen. Zweitens: Männer wurden eher durch Darstellungen von Gruppensex erregt als durch Darstellungen eines heterosexuellen Paares. Bei Frauen war es umgekehrt. Drittens: Sowohl Männer als auch Frauen wurden durch Darstellungen lesbischer Beziehungen erregt, nicht aber durch Darstellungen männlicher Homosexualität (man erinnere sich: Die Studenten waren heterosexuell). Bei der Betrachtung pornographischer Filme waren sowohl Männer als auch Frauen an den weiblichen Schauspielern interessiert. Allerdings sind Pornos für Männer gemacht, werden an Männer verkauft und von Männern ausgesucht. 38
Der Liebesroman dagegen zielt auf einen ausschließlich weiblichen Markt. Auch er entwirft eine fiktive Welt, die über die Jahre bemerkenswert gleich geblieben ist, außer daß sie sich weiblichen Karrierevorstellungen angepaßt hat und bei der Beschreibung von Sexualität weniger zurückhaltend geworden ist. Die Autoren richten sich strikt nach einer vom Verleger diktierten Vorlage. Der Geschlechtsverkehr spielt in diesen Romanen eine untergeordnete Rolle, im wesentlichen geht es um Liebe, Bindung, Häuslichkeit, Fürsorglichkeit und die Bildung von Beziehungen. Promiskuität und sexuelle Variabilität spielen so gut wie keine Rolle, und was an Sexualität tatsächlich stattfindet, wird durch die emotionalen Reaktionen der Heldin auf das, was ihr widerfährt, geschildert – insbesondere wenn es Berührungen betrifft – und nicht durch eine detaillierte Beschreibung des männlichen Körpers. Der Charakter des betreffenden Mannes wird oftmals detailliert beschrieben, sein Körper hingegen nicht.
Ellis und Symons behaupten, daß Liebesroman und Pornographie die jeweiligen utopischen Phantasien beider Geschlechter repräsentieren.
Ihre Daten über die sexuellen Phantasien kalifornischer Studenten scheinen diesen Eindruck zu bestätigen. Genauso übrigens wie die fehlgeschlagenen Versuche einiger Zeitschriften, das männliche Pornographierezept für Frauen abzuwandeln (ein großer Teil der Playgirl- Lesersind Schwule), und das blühende Geschäft, freizügige Romane über sexuelle Promiskuität auf Flughäfen – an Männer – zu verkaufen. In jedem beliebigen Zeitschriftenladen finden sich Zeitschriften für Männer mit Titelbildern von
Weitere Kostenlose Bücher