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Eros und Evolution

Eros und Evolution

Titel: Eros und Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ridley
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deshalb in dieser Weise, weil das von seinen Hoden produzierte Hormon sein Gehirn bereits im Mutterleib so verändert, daß es später in der Pubertät wieder auf Testosteron reagieren wird. Fehlen die Gene für die Hoden, der Testosteronschub im Mutterleib oder der Testosteronschub in der Pubertät – gleichgültig, welcher von diesen drei Faktoren –, ist man schon kein typischer Mann mehr. Man kann vermuten, daß ein Mann, der eine Vorliebe für andere Männer hat, jemand ist, der ein zusätzliches Gen besitzt, das die Entwicklung seiner Hoden beeinflußt, oder daß er über ein zusätzliches Gen verfügt, das Einfluß darauf hat, wie sein Gehirn auf Hormone reagiert, oder daß ihm eine andere Lernerfahrung während des pubertären Hormonschubs zuteil geworden ist – oder eine Kombination dieser Möglichkeiten.
    Die Suche nach den Ursachen der Homosexualität hat eine Menge Licht in das Dunkel um die testosterongesteuerte Gehirnentwicklung gebracht. Bis in die sechziger Jahre hinein war es Mode, anzunehmen, Homosexualität müsse einzig und allein auf die Erziehung zurückzuführen sein. Da man sich aber außerstande sah, dem Problem mit Methoden wie der drastischen Aversionstherapie beizukommen, änderte sich diese Mode, und man bemühte statt dessen hormonelle Ursachen. Die Injektionen von männlichen Hormonen aber machen Schwule keineswegs heterosexueller, sondern nur noch mehr homosexuell interessiert. Die sexuelle Orientierung liegt also bereits vor dem Erreichen des Erwachsenenalters fest. Im Jahre 1960 begann ein ostdeutscher Arzt, Gunter Dörner, eine Versuchsreihe an Ratten, aus der hervorging, daß das Gehirn einer homosexuellen Ratte im Mutterleib anscheinend ein Hormon freisetzt, das eigentlich eher typisch für weibliche Gehirne ist: das luteinisierende Hormon, LH. Dörner, dessen Forschungsmotive oft deshalb in Frage gestellt werden, weil er allem Anschein nach eine Möglichkeit zur »Heilung« von Homosexualität suchte, kastrierte Rattenmännchen zu verschiedenen Zeitpunkten ihrer Entwicklung und injizierte ihnen dann weibliche Hormone. Je früher die Kastration erfolgte, um so größer war die Wahrscheinlichkeit, daß die Ratte andere Männchen umwarb. Forschungsergebnisse aus Großbritannien, Amerika und Deutschland bestätigen einmütig, daß ein pränataler Testosteronmangel die Wahrscheinlichkeit erhöht, daß ein Mann homosexuell wird. Männer mit einem zusätzlichen X-Chromosom und Männer, die im Mutterleib weiblichen Hormonen ausgesetzt waren, werden mit größerer Wahrscheinlichkeit homosexuell oder feminin, und feminine Jungen wachsen in der Tat häufiger zu Schwulen heran als andere Jungen. Erstaunlicherweise sind Männer, die in sehr belastenden Zeiten, wie zum Beispiel gegen Ende des Zweiten Weltkriegs empfangen beziehungsweise geboren wurden, häufiger schwul als Männer, die zu anderen Zeiten geboren wurden. (Das Streßhormon Cortisol wird aus derselben Vorläufersubstanz hergestellt wie Testosteron; vielleicht erschöpft es die Rohstoffreserven und läßt nur wenig Vorläufer zur Umwandlung in Testosteron übrig.) Für Ratten gilt dasselbe: Bei Ratten, deren Mütter während der Schwangerschaft unter Streß standen, findet man häufiger homosexuelles Verhalten als bei anderen. Bei Dingen, die männliche Gehirne sonst mühelos bewältigen, schneiden Homosexuelle oft schlecht ab und umgekehrt. Schwule sind häufiger Linkshänder als andere Männer, was einer gewissen Logik nicht entbehrt, da die Frage, ob jemand Rechts- oder Linkshänder wird, ebenfalls von Geschlechtshormonen mitbeeinflußt wird. Gleichzeitig ist dies aber merkwürdig, da Linkshänder, wie allgemein angenommen wird, bei der Lösung räumlicher Probleme besser abschneiden als Rechtshänder. All das verdeutlicht letztlich nur, wie lückenhaft unser Wissen um die Beziehungen zwischen Genen, Hormonen, Gehirnen und Fähigkeiten noch immer ist. 26 Unbestreitbar ist jedoch, daß Homosexualität ihre Ursache in der Wirkung einer ungewöhnlichen Hormonkombination während der Schwangerschaft haben muß, welche später nachläßt. Durch diese Tatsache wird wiederum die Überlegung gestützt, daß die sexuelle Orientierung von pränatalen Wirkungen der Geschlechtshormone abhängt, was im übrigen nicht unvereinbar ist mit den immer deutlicher werdenden Hinweisen darauf, daß Homosexualität genetisch bedingt ist. Von dem »Schwulen-Gen«, über das ich im nächsten Kapitel schreiben werde, nimmt man allgemein an, daß es

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