Eros und Evolution
junge Männer muskulösere Schulterpartien als in Großbritannien, zum einen, weil sie sich anders ernähren, und zum anderen, weil bei ihren Sportarten womöglich Wurfqualitäten stärker gefragt sind als Behendigkeit. Das widerlegt jedoch nicht die Verallgemeinerung: »Männer haben muskulösere Schultern als Frauen.« Auch die Tatsache, daß Frauen irgendwo auf der Welt mehr Wert auf den Reichtum eines Mannes legen als woanders, widerlegt nicht die Verallgemeinerung als solche, daß Frauen mehr Wert auf den Wohlstand eines potentiellen Partners legen als Männer. 33 Das Hauptproblem von Buss’ Analyse besteht darin, daß sie nicht zwischen einem Partner, der für eine Ehe ausgewählt wird, und einem Partner für eine kurze Affäre unterscheidet. Douglas Kenrick von der University of Arizona ließ eine Gruppe von Studenten verschiedene Eigenschaften potentieller Partner in ein System mit vier Intimitätsebenen einordnen. Bei der Suche nach einem Ehepartner war beiden Geschlechtern Intelligenz wichtig. Bei einem Partner für eine Nacht spielte die Intelligenz eine sehr viel untergeordnetere Rolle, vor allem für die Männer.
Es bestehen kaum Zweifel, daß Menschen beiderlei Geschlechts sensibel genug sind, Freundlichkeit, Umgänglichkeit und Witz bei denen zu schätzen, mit denen sie den Rest ihres Lebens verbringen wollen. 34 Das Problem bei jeder Messung sexueller Präferenzen besteht darin, daß diese immer Kompromisse sind. Ein alternder häßlicher Mann heiratet nicht nacheinander mehrere junge und schöne Frauen (es sei denn, er ist wirklich sehr reich). Er begnügt sich mit einer treuen Frau seines Alters. Eine junge Frau bindet sich nicht in ewiger Treue an einen reichen Großindustriellen. Sie wird nehmen, was kommt, vermutlich einen Mann, der etwas älter ist als sie selbst und eine sichere Arbeitsstelle hat. Die Menschen passen ihre Erwartungen dem eigenen Alter, Aussehen und Wohlstand an. Um festzustellen, wie unterschiedlich die sexuelle Mentalität von Mann und Frau wirklich ist, müßte man ein kontrolliertes Experiment durchführen. Man nähme einen durchschnittlichen Mann und eine durchschnittliche Frau und stellte beide vor die Wahl zwischen einer treuen Ehe mit einem vertrauten Partner und immerwährenden Orgien mit wunderschönen Fremden. Das Experiment ist bisher nicht unternommen worden, und es ist zu bezweifeln, daß einem die dazu nötigen finanziellen Mittel von irgendeinem Gremium bewilligt würden. Es muß aber auch gar nicht sein. Dieselbe Aussagekraft hat ein Experiment, bei dem man in die Köpfe der Menschen hineinschaut und ihre Phantasien betrachtet.
Bruce Ellis und Don Symons ließen dreihundertsieben kalifornische Studenten einen Fragebogen über ihre sexuellen Phantasien ausfüllen.
Wären ihre Testpersonen Araber oder Briten gewesen, hätten Sozialwissenschaftler die Ergebnisse mit lockerer Hand vom Tisch gewischt, denn jeglicher geschlechtsspezifische Unterschied ließe sich gesellschaftlichen Zwängen mit sexistischem Hintergrund in die Schuhe schieben. Doch kein Volk der Welt oder der Geschichte kann aufrichtiger in der politischen Ideologie absoluter psychologischer Gleichheit zwischen den Geschlechtern verwurzelt sein als Studenten einer kalifornischen Universität. Jeder auftretende geschlechtsspezifische Unterschied ließe sich deshalb als konservative Schätzung für die Spezies als Ganzes betrachten.
Ellis und Symons stellten fest, daß zwei Dinge absolut keinen geschlechtsspezifischen Unterschied aufwiesen: Zum einen die Haltung der Studenten ihren eigenen Phantasien gegenüber. Schuldgefühle, Stolz und Gleichgültigkeit waren bei Männern und Frauen jeweils gleich stark vertreten. Beide Geschlechter hatten bei ihren Phantasien jeweils ein genaues Bild des Partners im Kopf. In jeder anderen Hinsicht gab es grundlegende Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Männer haben mehr Phantasien und phantasieren über mehr Partner. Einer von drei Männern erklärte, in seinem Leben bereits sexuelle Phantasien über mehr als tausend verschiedene Partner gehabt zu haben, bei den Frauen berichteten nur acht Prozent über eine solche Vielfalt. Etwa die Hälfte der Frauen erklärte, während einer Phantasie den Partner niemals zu wechseln, bei den Männern galt dies nur für zwölf Prozent. Visuelle Eindrücke von der/den jeweiligen Partnerin/innen waren für die Männer wichtiger als Vorstellungen von Berührung, Reaktion der Partnerin/innen oder andere Gefühle. Für
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