Eros und Evolution
in Trupps in der afrikanischen Savanne, verwende Werkzeuge, mache Jagd auf Tiere und sammle Pflanzen. Er habe sogar so etwas Ähnliches wie eine Sprache, wenngleich diese nicht über den Formen- und Bilderreichtum von Squeak verfüge. Und er esse keinen Fisch, squeakte er scherzend. 1
Der Erfolgsaffe
Vor ungefähr achtzehn Millionen Jahren gab es in Afrika zig verschiedene Menschenaffenarten und in Asien darüber hinaus noch etliche mehr. Im Verlaufe der darauffolgenden fünfzehn Millionen Jahre sollten die meisten von ihnen aussterben. Ein Zoologe vom Mars, der vor drei Millionen Jahren in Afrika gelandet wäre, hätte vermutlich den Schluß gezogen, Menschenaffen seien für den Mülleimer der Geschichte bestimmt, ein längst überholtes Tiermodell, aufgrund des evolutionären Wettkampfs mit anderen Affenarten als veraltet abgestempelt. Selbst wenn ihm aufgefallen wäre, daß es da einen Affen gab, einen nahen Verwandten der Schimpansen, der in der Lage war, völlig aufrecht auf zwei Beinen zu gehen, so hätte er diesem sicher keine besonders große Zukunft prophezeit.
In Anbetracht seiner Größe – irgendwo in der Mitte zwischen Schimpanse und Orang-Utan – hatte der »aufrechte« Affe, der Wissenschaft bekannt unter dem Namen Australopithecus afarensis, der übrigen Welt als Lucy 2 , ein Gehirn von »normaler« Größe: ungefähr 400 Kubikzentimeter, größer als das des modernen Schimpansen, kleiner als das eines modernen Orang-Utan. Kein Zweifel, seine Haltung war auf merkwürdige Weise menschenähnlich, sein Kopf aber war es nicht. Von seinen auffallend menschenartigen Beinen und Füßen einmal abgesehen, hätten wir ihn ohne jeden Zweifel als Menschenaffen eingeordnet. Im Verlaufe der nächsten drei Millionen Jahre sollten seine Nachkommen jedoch eine Art Größenexplosion ihres Gehirns erfahren. Die Kapazität des Gehirns verdoppelte sich in den darauffolgenden zwei Millionen Jahren, und in der darauffolgenden Jahrmillion verdoppelte sie sich noch einmal, bis sie beim modernen Menschen etwa 1400 Kubikzentimeter erreicht hatte. Bei Schimpansen, Gorillas und Orang-Utans blieb die Gehirngröße ungefähr gleich. Dasselbe gilt für den anderen Nachfahren von Lucys Art, den sogenannten Australopithecus robustus oder Nußknackermenschen, der sich zu einem spezialisierten Vegetarier entwickelte.
Was war die Ursache für die plötzliche und spontane Zunahme der Gehirngröße bei diesem speziellen Menschenaffen, die so viele Konsequenzen nach sich ziehen sollte? Warum traf es diesen bestimmten Affen und keinen anderen? Was ist für die erstaunliche Geschwindigkeit der Veränderung und für die Tatsache verantwortlich, daß diese Geschwindigkeit ständig zunimmt? Solche Fragen mögen auf den ersten Blick mit dem Thema dieses Buches nichts zu tun haben, doch die Antworten darauf stehen möglicherweise doch in einem Zusammenhang mit der Existenz von Sexualität. Wenn die neueren Theorien recht behalten, dann war die Evolution der menschlichen Gehirngröße das Ergebnis eines Rote-Königin-Wettstreits zwischen Individuen desselben Geschlechts.
Unter einem Gesichtspunkt läßt sich diese Evolution unserer menschlichen Vorfahren leicht erklären: Diejenigen mit großem Gehirn hatten mehr Nachfahren als andere, und die Kinder erbten dieses große Gehirn. Die nachfolgende Generation verfügte damit im Durchschnitt über ein größeres Gehirn als die Elterngeneration. Dieser in hohem Maße unwägbare Vorgang, der mal rascher, mal weniger rasch abläuft, führte schließlich zur Verdreifachung menschlicher Gehirnkapazität. Anders kann es nicht gewesen sein. Das Interessante an der Sache ist jedoch die Frage, was Leute mit großem Gehirn dazu veranlaßt haben mag, mehr Kinder zu haben als diejenigen mit kleinem Gehirn. Schließlich vermehren sich, wie so mancher Beobachter – angefangen von Charles Darwin bis hin zu Lee Kuan Yew, dem ehemaligen Premierminister von Singapur – hat feststellen müssen, gescheite Leute nicht wesentlich rascher als dumme.
Ein zeitreisender Marsianer könnte zurückblicken und die drei wichtigen Nachfahren des Australopithecus betrachten: Homo habilis, Homo erectus und den sogenannten archaischen Homo sapiens. Er würde eine stetige Zunahme der Gehirngröße feststellen – soviel wissen wir aus Knochenfunden – und wäre in der Lage, uns zu erklären, wozu die Gescheiten ihre Gehirne verwendeten. Wir können heute etwas Ähnliches tun, indem wir uns einfach vergegenwärtigen, wofür der
Weitere Kostenlose Bücher