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Eros und Evolution

Eros und Evolution

Titel: Eros und Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ridley
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Zwanzigerzahlen zusammentun. Die Person mit der Nummer eins wird unterdessen, nachdem sie zunächst versucht hat, die dreißig von sich zu überzeugen, ihren Standard allmählich senken und die Skala hinuntergehen, bis sie schließlich den ersten Partner nehmen wird, der sie akzeptiert – vermutlich Nummer zwei. 41
    Dieses Spiel macht mit unbehaglichem Realismus deutlich, wie wir unsere eigene relative Attraktivität aus den Reaktionen anderer auf unsere Person ablesen. Wiederholte Ablehnung veranlaßt uns dazu, unsere Ansprüche zu senken; eine ununterbrochene Serie erfolgreicher Verführungsversuche hingegen ermutigt uns, noch ein wenig höher zu zielen. Doch es ist empfehlenswert, von der Tretmühle der Roten Königin abzuspringen, bevor man hinunterfällt.

ZEHN
DAS INTELLEKTUELLE SCHACHSPIEL
    Wär’ ich (der ich zu meinem Leidwesen
Mich zähle zu den Ungeheuern Menschenwesen) Ein Geist, mit freiem Willen, zu entscheiden,
In welches Fleisch er sich will kleiden,
Ich wär’ ein Hund, ein Affe, auch ein Stier,
Alles wär’ ich, nur nicht dies eitle Tier,
das stolz darauf, vernunftbegabt zu sein. Die Sinne sind zu grob, und es erfind’t
den sechsten, der widerspricht den andern fünf. Und sicheren Instinkten zieht es vor die Vernunft,
die unzähl’ge Male schon verlor.
    John Wilmot,
    Earl of Rochester
     
    Zeit: vor dreihunderttausend Jahren. Ort: irgendwo im Pazifischen Ozean. Anlaß: eine Konferenz der Großen Tümmler zu Fragen der Evolution ihrer Intelligenz. Die Konferenz fand in einem Seegebiet von etwa dreihundert Quadratkilometern statt, so daß die Konferenzteilnehmer zwischen den Treffen fischen konnten; es war Tintenfisch-Saison. Die Sitzungen bestanden aus langen Monologen geladener Sprecher, auf die eine Reihe von Kommentaren in Squeak, der Sprache der Pazifik-Tümmler, folgte. Squawksprechende Teilnehmer aus dem Atlantik konnten sich am Abend übersetzte Aufzeichnungen der Veranstaltungen anhören. Es ging im Grunde um eine einfache Frage: Warum ist das Gehirn der Großen Tümmler doppelt so groß wie das der meisten anderen Delphine? Der erste Sprecher verfocht die These, es sei dies eine Sache der Sprache. Delphine benötigten ein großes Gehirn, um die Konzepte und die Grammatik, mit deren Hilfe sie sich ausdrückten, im Kopf haben zu können. Die Kommentare hierzu waren gnadenlos. Die Sprachtheorie sei ungeeignet, auch nur eine einzige Frage zu beantworten, so die Kommentatoren. Wale besitzen ebenfalls eine komplexe Sprache, und jeder Delphin wisse doch, wie einfältig Wale seien. Erst im Jahr zuvor hatte eine Gruppe Großer Tümmler einen alten Buckelwal zum Narren gehalten und ihn mit in Buckelwalsprache ausgesandten Gerüchten über die angebliche Untreue seines besten Freundes dazu gebracht, diesen anzugreifen. Dem zweiten Sprecher, einem Männchen, wurde mehr Beifall zuteil, denn seine These lautete, der einzige Zweck der hohen Intelligenz der Tümmler sei die Fähigkeit zur Täuschung. »Sind wir nicht«, squeakte er, »Weltmeister der Verstellung und der Manipulation? Verbringen wir nicht den größten Teil unserer Zeit damit, Ränke gegeneinander zu schmieden, um einander bei der Jagd auf Weibchen auszutricksen? Sind wir nicht die einzige Spezies, bei der man ›Dreiecksbeziehungen‹ zwischen verbündeten Einzelwesen kennt?« Der dritte Sprecher gab zu bedenken, daß all das recht gut und schön sei, doch »Warum wir?« Warum Große Tümmler? Warum nicht Haie oder Schweinswale? Im Ganges gibt es einen Delphin, dessen Gehirn nur fünfhundert Gramm wiegt. Das Gehirn eines Großen Tümmlers wiegt anderthalb Kilo. Nein, lautete deshalb seine Überlegung, die Antwort hat schlicht und einfach mit der Tatsache zu tun, daß die Großen Tümmler von allen Lebewesen auf der Welt diejenigen mit den flexibelsten Ernährungsgewohnheiten sind. Sie können von Tintenfischen leben, von Fischen, von … nun, eben von allen möglichen Fischarten. Eine solche Vielfalt erfordere Flexibilität, und Flexibilität erfordert ein großes, lernfähiges Gehirn.
    Der letzte Sprecher des Tages war voller Verachtung für alle seine Vorgänger. Wenn ein komplexes soziales Gefüge Intelligenz voraussetze, weshalb seien dann die in sozialen Gemeinschaften lebenden Tiere an Land nicht intelligent? Der Sprecher hatte von einem Menschenaffen erzählen gehört, dessen Gehirn beinahe so groß sein sollte wie das des Großen Tümmlers; angesichts seiner Körpergröße müßte man es sogar als größer betrachten. Er lebe

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