Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eros und Evolution

Eros und Evolution

Titel: Eros und Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ridley
Vom Netzwerk:
aus der Maschinerie der Genreparaturmechanismen entwickelt, doch dies sei nicht gleichbedeutend mit der Feststellung, Sexualität existiere heutzutage, um Gene auszubessern. Schließlich kann man auch nicht aus der Tatsache, daß die Beine des Menschen Abkömmlinge von Fischflossen sind, darauf schließen, daß sie zum Schwimmen da sind. 26 An dieser Stelle ist ein kurzer Abstecher in die Welt der Moleküle notwendig. Die DNA ist ein langes fadenförmiges Molekül, das Informationen in Form eines einfachen Alphabets aus vier »Basen« enthält (ganz ähnlich dem Morsealphabet aus zwei Arten von Strichen und zwei Arten von Punkten). Diese »Buchstaben«-Basen haben die Namen A, C, G und T. Das Schöne an der DNA ist, daß jeweils zwei Buchstaben sich gegenseitig ergänzen und sich vorzugsweise den jeweils anderen gegenüber lagern. So paart sich A mit T und umgekehrt, beziehungsweise C mit G und umgekehrt. Das heißt, es gibt eine Möglichkeit, die DNA automatisch zu kopieren: Man stückelt aus den jeweils entgegengesetzten Buchstaben entlang des DNA-Molekülstranges einen zweiten Strang zusammen. Die Sequenz AAGTTC wird auf dem komplementären Strang zu TTCAAG: Kopiert man diesen nochmals, dann erhält man wiederum die Originalsequenz. Normalerweise besteht jedes Gen aus einem DNA-Strang, der – eng mit seiner komplementären Kopie verschlungen – die berühmte Doppelhelix bildet. An den Strängen bewegen sich spezielle Enzyme auf und ab und reparieren jede aufgespürte Unregelmäßigkeit entsprechend der Vorlage durch den Originalstrang. Die DNA wird durch Sonnenlicht und chemische Substanzen fortwährend geschädigt.
    Gäbe es keine Reparaturenzyme, verkäme sie nur allzubald zu bedeutungslosem Kauderwelsch.
    Was aber geschieht, wenn beide Stränge an der gleichen Stelle beschädigt sind? Das passiert gar nicht so selten, zum Beispiel können beide Stränge fest miteinander verschmelzen, ähnlich wie ein Tropfen Klebstoff einen geschlossenen Reißverschluß versiegelt. Die Ausbesserungsenzyme können dann nicht mehr feststellen, wie die DNA repariert werden muß. Sie benötigen eine Vorlage des Originalzustandes. Sexualität sorgt dafür. Sie liefert eine Kopie desselben Gens von einem anderen Lebewesen (durch Segregation) oder von einem anderen Chromosom im selben Lebewesen (durch Rekombination). Jetzt kann die Reparatur anhand des neuen Musters erfolgen.
    Natürlich kann diese neue Vorlage an derselben Stelle beschädigt sein, die Wahrscheinlichkeit dafür ist aber gering. Ein Kaufmann, der die Zahlen einer Rechnung ein zweites Mal addiert, versichert sich damit, keinen Fehler gemacht zu haben. Er geht davon aus, daß er denselben Fehler mit großer Wahrscheinlichkeit nicht zweimal macht.
    Die Ausbesserungstheorie wird von verschiedenen Indizien gestützt.
    Setzt man einen Organismus zum Beispiel schädigendem UV-Licht aus, dann ergeht es ihm im allgemeinen besser, wenn er die Möglichkeit zur Rekombination hat, als wenn dies nicht der Fall ist, und es ergeht ihm sogar noch besser, wenn er in seinen Zellen zwei Chromosomen hat.
    Wenn aber ein mutierter Stamm entsteht, der ganz auf die Rekombination verzichtet, dann erweist er sich als besonders anfällig für Schädigungen durch UV-Licht. Bernstein kann darüber hinaus Einzelheiten erklären, die seine Rivalen nicht erklären können, etwa die merkwürdige Tatsache, daß eine Zelle, unmittelbar bevor sie ihre Chromosomenpaare aufteilt, um ein Ei entstehen zu lassen, deren Zahl zunächst verdoppelt und dann drei Viertel davon wegwirft. In der Ausbesserungstheorie bedeutet dies, die auszugleichenden Fehler aufzuspüren und in eine »gemeinsame Währung« umzuformen. 27
    Nichtsdestoweniger versagt die Ausbesserungstheorie bei der Aufgabe, die sie sich selbst gestellt hat. Sie sagt nichts zum Thema Kreuzung und Segregation. { * } Wenn Sexualität nämlich darin besteht, zusätzliche Genkopien heranzuziehen, dann ist es selbstverständlich besser, diese von Verwandten und nicht von fremden Artgenossen zu bekommen. Bernstein stellt fest, daß Kreuzung und Segregation Möglichkeiten sind, Mutationen zu überspielen, doch letztlich läuft das auf nichts anderes heraus als auf eine Wiederholung der Begründung dessen, daß Inzucht nichts Gutes sei; Sexualität aber ist die Ursache für Inzucht, nicht deren Folge.
    Außerdem ist jedes Argument, das von den »Reparaturleuten« für die Rekombination ins Feld geführt wird, lediglich ein Argument für das Anlegen von

Weitere Kostenlose Bücher