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Eros und Evolution

Eros und Evolution

Titel: Eros und Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ridley
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wissenschaftlichen Geschehens bieten sie ein ungewöhnliches Schauspiel. Die meiste Zeit tappen die Wissenschaftler im dunkeln und versuchen, eine Tatsache, ein Muster oder eine Theorie zu entdecken, die niemand zuvor bemerkt hat. Diesmal aber war es ein ganz anderes Spiel: Das, worum es ging, Sexualität, war wohlbekannt, allerdings gab es keine befriedigende Erklärung dafür, warum Sexualität vorteilhaft war. Ein neuer Erklärungsversuch mußte die vorhandenen übertreffen – so wie eine Gazelle schneller rennen muß als andere Gazellen, nicht aber unbedingt schneller sein muß als der Gepard, der sie verfolgt.
    Theorien zur Existenz von Sexualität gibt es zu Schleuderpreisen, und die meisten davon sind in dem Sinne »richtig«, daß sie einen logischen Sinn ergeben. Welche aber ist die richtigste? 25
    Auf den folgenden Seiten werden Ihnen drei Arten von Wissenschaftlern begegnen. Der erste ist ein Molekularbiologe, der ständig etwas von Enzymen und exonukleolytischem Abbau murmelt. Er möchte wissen, was mit der DNA, dem Material, aus dem Gene bestehen, geschieht. Seiner Überzeugung nach ist Sexualität nichts anderes als die Ausbesserung von DNA oder eine ähnliche Form molekularer Technologie. Er hat keine Ahnung von Gleichungen, liebt aber lange Worte, in der Regel solche, die er und seine Kollegen erfunden haben. Der zweite ist ein Genetiker – mit nichts als Mutationen und Mendelscher Vererbung im Kopf. Er ist besessen von der Idee, beschreiben zu können, was während sexueller Vorgänge mit Genen geschieht. Er wird Dinge fordern wie ein Experiment, in dessen Verlauf man Organismen über viele Generationen hinweg an der Ausübung von Sexualität hindert, um zu sehen, was dann geschieht. Wenn man ihn nicht bremst, wird er damit beginnen, Gleichungen zu schreiben und von »Kopplungsungleichgewichten« zu erzählen. Der dritte ist ein Ökologe, den nichts mehr interessiert als Parasiten und Polyploidie. Er liebt vergleichende Untersuchungen – welche Spezies verfügt über Sexualität und welche nicht? – und weiß viele sonderbare Dinge über die Arktis und die Tropen. Seine Denkweise ist ein bißchen weniger rigoros als die der anderen, seine Sprache ein bißchen farbenfroher, und seine natürliche Welt ist die der Graphik, sein Geschäft die Computersimulation.
    Jeder dieser drei Charaktere favorisiert eine andere Art der Erklärung für die Existenz von Sexualität. Der Molekularbiologe redet im Grunde darüber, weshalb Sexualität entstanden ist, was nicht notwendigerweise dasselbe ist wie die Frage, was Sexualität heute leistet, was wiederum den Genetiker am brennendsten interessiert. Der Ökologe dagegen fragt ein bißchen anders: Unter welchen Umständen ist Sex besser als kein Sex? Vergleicht man diese Erklärungsweisen mit möglichen Begründungen, warum Computer erfunden wurden, so würde der Historiker (wie ein Molekularbiologe) sagen, sie seien erfunden worden, um die von deutschen U-Boot-Kommandanten verwendeten Codes zu knacken. Heute werden sie dazu jedoch nicht mehr gebraucht. Sie werden eingesetzt, um ständig sich wiederholende Aufgaben effizienter und leistungsfähiger zu erledigen, als Menschen das können (die Antwort des Genetikers). Den Ökologen würde es interessieren, weshalb ein Computer das »Fräulein vom Amt« ersetzen kann, nicht aber zum Beispiel einen Koch. Alle drei liegen unter Umständen auf ganz verschiedenen Ebenen »richtig«.

Die Mastercopy-Theorie
    Der Vorreiter der Molekularbiologen ist Harris Bernstein von der University of Arizona. Sein Argument lautet, Sexualität sei erfunden worden, um Gene zu reparieren. Den ersten Hinweis dafür lieferte die Entdeckung, daß mutierte Fruchtfliegen, die nicht mehr in der Lage sind, ihre Gene zu reparieren, auch nicht in der Lage sind zu »rekombinieren«: Rekombination jedoch ist der eigentlich wichtige Vorgang im Rahmen sexueller Fortpflanzung, das Durchmischen der Gene bei der Vereinigung von Spermium und Ei. Schaltet man den genetischen Ausbesserungsmechanismus aus, stirbt auch die Sexualität.
    Bernstein erkannte, daß die Zelle zur Reparatur von Genen dieselben Werkzeuge verwendet, die sie auch bei sexuellen Vorgängen einsetzt. Er war jedoch nicht in der Lage, Genetiker und Ökologen davon zu überzeugen, daß die Ausbesserung von Genen mehr ist als der ursprüngliche, längst überholte Sinn der Maschinerie, deren sich die Sexualität bedient. Die Genetiker sind der Ansicht, Sexualität habe sich hauptsächlich

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