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Eros und Evolution

Eros und Evolution

Titel: Eros und Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ridley
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Generation beigetragen und wäre bald Alleinherrscher über das Erbgut der Art. 19
    Stellen Sie sich eine Steinzeithöhle vor, die von einem Mann und von zwei Frauen bewohnt wird – eine der beiden Frauen ist Jungfrau. Eines Tages bringt die Jungfrau auf »asexuelle« Weise ein kleines Mädchen zur Welt, welches im Grunde einem eineiigen Zwilling ihrer selbst entspräche (in der Fachsprache bezeichnet man einen solchen Vorgang als Parthenogenese oder Jungfrauengeburt). Dies kann auf verschiedene Weise geschehen, beispielsweise durch einen Vorgang, den man Automixie nennt und bei dem, grob gesprochen, ein Ei durch ein anderes Ei befruchtet wird. Zwei Jahre später bekommt diese Höhlenbewohnerin auf die gleiche Weise eine weitere Tochter. Ihre Schwester hat auf normale Weise in derselben Zeit eine Tochter und einen Sohn bekommen.
    In der Höhle leben nunmehr acht Leute. Als nächstes bekommen die drei Mädchen jeweils zwei Kinder, und die erste Generation stirbt. Jetzt leben in der Höhle zehn Leute, von denen fünf sich parthenogenetisch fortpflanzen. Innerhalb von zwei Generationen hat sich das ursprünglich bei einem Viertel der Population vorhandene Gen für die Parthenogenese auf die Hälfte der Population ausgebreitet. Es würde nicht sehr lange dauern, bis Männer ausgestorben wären.
    Das ist es, was Williams als Kosten der Meiose bezeichnete und Maynard Smith als die Kosten für die Existenz des männlichen Geschlechts. Denn das Verhängnis für die sich sexuell fortpflanzenden Höhlenbewohner besteht darin, daß die Hälfte von ihnen männlich ist und deshalb keine Kinder haben kann. Es stimmt zwar, daß Männer gelegentlich zur Aufzucht von Kindern beitragen, indem sie Wollnashörner zum Abendessen jagen oder ähnlichen Beschäftigungen nachgehen, aber auch das erklärt nicht, wozu Männer wirklich da sind. Denn nehmen wir an, die parthenogenetische Frau in der Höhle könne nur Nachwuchs bekommen, wenn sie vorher Geschlechtsverkehr gehabt hätte.
    Auch hierfür gibt es Beispiele. Manche Pflanzen produzieren nur Samen, wenn sie von den Pollen einer verwandten Art befruchtet werden, wobei der Samen jedoch keine Gene aus diesen Pollen übernimmt; man bezeichnet diesen Vorgang als Pseudogamie. 20 In diesem Falle wüßten die männlichen Höhlenbewohner nicht, daß sie in genetischer Hinsicht ausgeschlossen sind, betrachteten die asexuell gezeugten Babys als ihre eigenen und brächten für sie genauso Wollnashornfleisch auf den Tisch wie für ihre leiblichen Kinder.
    Dieses Gedankenexperiment macht den riesigen numerischen Vorteil deutlich, den ein Gen hat, das seinen Besitzer asexuell werden läßt. Diese Form von Logik brachte Maynard Smith, Ghiselin und Williams zu der Frage, worin der ausgleichende Vorteil der Sexualität eigentlich besteht – schließlich vermehren sich alle Säugetiere und Vögel, die meisten Wirbellosen, Pflanzen und Pilze und viele Protozoen auf sexuelle Weise.
    Denjenigen, die meinen, unser Fragen nach den »Kosten für die Sexualität« illustriere nur, wie erschütternd materiell wir geworden seien, und diese Argumentationsweise entbehre zudem jeglicher Logik, stelle ich folgende Aufgabe: Liefern Sie mir eine Erklärung für Kolibris. Nicht dafür, wie sie leben und wie ihr Organismus funktioniert, sondern dafür, weshalb es sie überhaupt gibt. Hätte Sexualität nicht ihren Preis, dann gäbe es keine Kolibris. Kolibris leben von dem Nektar, den Blüten produzieren, um bestäubende Insekten und Vögel anzulocken. Nektar ist ein reines Geschenk der Pflanze, die ihren schwer erarbeiteten Zucker den Kolibris zur Verfügung stellt; ein Geschenk, das sie nur deshalb macht, weil der Kolibri dann ihre Pollen zu einer anderen Pflanze tragen wird. Um mit einer anderen Pflanze eine sexuelle Beziehung eingehen zu können, muß die erste Pflanze den Pollenträger mit Nektar bestechen. Nektar ist also ein reiner Unkostenfaktor, den die Pflanze auf dem Weg zur sexuellen Vermehrung einberechnet. Gäbe es Sexualität umsonst, gäbe es keine Kolibris. 21
    Williams hielt es für möglich, daß seine Logik stimmte, doch er glaubte, für Tiere wie uns seien die praktischen Probleme schlicht unüberwindbar. Mit anderen Worten, es hätte zwar Vorteile, von sexueller Fortpflanzung zu asexueller Fortpflanzung zu wechseln, aber es wäre einfach zu schwierig zu bewerkstelligen.
    Zu diesem Zeitpunkt etwa gerieten die Soziobiologen in eine Falle und ließen sich zu rasch von »adaptionistischen« Argumenten

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