Eros und Evolution
Schwestern der getöteten Männchen zufielen, daher ist dieser Fall seltener. Bei hermaphroditischen Pflanzen wird die weibliche Funktion der Pflanze gefördert, oder die Pflanze produziert mehr Samen, wenn die männliche Funktion verschwindet. Ein Gen zur Vernichtung der männlichen Funktion bei einer Maus zum Beispiel, das alle Männchen im Wurf sterben ließe, verschaffte deren Schwestern nicht den geringsten Vorteil. Vernichteten Organellen-Gene Männchen mit der Begründung, sie seien Sackgassen der Evolution, so wäre das pure Bosheit. 29 Bei Tieren wird der Konflikt also ganz anders gelöst. Man stelle sich eine Population fröhlicher Mäuse-Hermaphroditen vor: Nehmen wir an, es kommt bei diesen Tieren zu einer Mutation, die alle männlichen Gonaden vernichtet. Sie würde sich unweigerlich ausbreiten, denn den Weibchen, die dieses Gen besitzen, geht es bestens: Es gibt doppelt so viele Babys, denn in die Spermienproduktion muß nicht mehr investiert werden. Bald wird die Population aus wenigen Hermaphroditen und sehr vielen Weibchen bestehen, wobei die Weibchen das Gen tragen, welches das männliche Geschlecht vernichtet. Nun könnte die Art zum ausgeglichenen Hermaphroditismus zurückkehren, so wie das viele Pflanzen vor ihr getan haben. Genauso wahrscheinlich aber wird etwas ganz anderes geschehen, bevor es zu einer Mutation kommen kann, die in der Unterdrückung des betreffenden Gens endet.
An diesem Punkt nämlich ist Männlichkeit ein eher seltenes Gut geworden. Die wenigen verbliebenen Hermaphroditen genießen einen ungeheuren Vorteil, denn sie allein können die Spermien produzieren, auf die alle Weibchen nach wie vor angewiesen sind. Je seltener sie werden, um so besser geht es ihnen. Schließlich wird es sich nicht mehr lohnen, die Mutation zu beherbergen, mit der sich Männlichkeit vernichten läßt.
Eher ist das Umgekehrte der Fall: Für die Kern-Gene wäre die vorteilhafteste Lösung in diesem Falle ein Gen, welches das weibliche Geschlecht vernichtete und einen der Hermaphroditen in die Lage versetzte, seine Weiblichkeit völlig aufzugeben und allen übrigen Artgenossen Spermien feilzubieten. Wenn aber ein solches, gegen das weibliche Geschlecht gerichtetes Gen auf der Bildfläche erscheint, dann verlieren alle übrigen Hermaphroditen ihren Vorteil, die weder das Gen zuungunsten des männlichen noch das Gen zu Lasten des weiblichen Geschlechts besitzen. Sie konkurrieren dann mit echten Männchen und echten Weibchen. Die meisten verfügbaren Spermien aber besitzen gleichzeitig auch das Gen zuungunsten des weiblichen Geschlechts, die meisten Eier hingegen, die zur Befruchtung zur Verfügung stehen, tragen das Gen zu Lasten der Männlichkeit – die Nachkommen werden also kontinuierlich gezwungen, sich zu spezialisieren. Die Geschlechter haben sich getrennt. 30
Die Antwort auf die Frage »Würden Sie die Kosten für Ihre Männlichkeit nicht lieber umgehen, indem Sie zum Hermaphroditen werden?« lautet: »Ja, aber es gibt keinen Weg zurück. Wir haben uns festgefahren.«
Der Fall der unbefleckten Puter
Durch die Trennung in zwei Geschlechter beendete das Tierreich die erste Meuterei der Organellen. Doch der Sieg war nicht von Dauer. Die Organellen-Gene nahmen ihre Meuterei wieder auf, und diesmal war ihr Ziel, alle Männchen zum Aussterben zu bringen und die Art rein weiblich werden zu lassen. Das mag wie ein Selbstmordkommando erscheinen, denn eine männchenlose Art mit sexueller Fortpflanzung wäre innerhalb einer Generation ausgestorben und alle Gene mit ihr. Doch es gibt zwei Gründe, weshalb das die Organellen nicht schert. Erstens können sie die Art in eine parthenogenetische Spezies umwandeln, eine Spezies also, bei der die Geburt von Jungen auch ohne Spermien möglich ist, was sie auch tun. Sie würden also versuchen, die Sexualität abzuschaffen. Zum anderen verhalten sie sich wie Kabeljaufischer, Walfänger oder Nutznießer von Dorfangern. Sie suchen einen kurzfristigen Vorteil im Konkurrenzkampf zu erheischen, auch wenn dies auf lange Sicht Selbstmord bedeutet. Ein Walfänger, der nur an sein Geschäft denkt, würde nicht das letzte Walpärchen verschonen, damit es sich vermehren kann; er würde es töten, bevor sein Konkurrent es täte – und würde den Ertrag einstreichen. Ebenso würde kein Organellen-Gen das letzte Männchen seiner Art verschonen, denn in einem Männchen ist es ohnehin zum Aussterben verdammt.
Betrachten wir einmal das Gelege eines Marienkäfers. Wenn die
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