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Eros und Evolution

Eros und Evolution

Titel: Eros und Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ridley
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in einer Sackgasse, denn es wird vom Spermium zurückgelassen. Sämtliche Organellen in Ihrem Körper und sämtliche der darin vorhandenen Gene stammen von Ihrer Mutter, kein einziges von Ihrem Vater. Schlechte Nachrichten für Gene, deren Lebenswerk darin besteht – Sie erinnern sich –, in die nächste Generation zu gelangen. Für Organellen-Gene ist jeder Mann eine Sackgasse. Es überrascht nicht, daß für solche Gene die »Versuchung« groß ist, Lösungen für diese Schwierigkeit zu entwickeln und sich auf Kosten derer ausbreiten, die dazu nicht in der Lage sind. Bei einem hermaphroditischen Organismus bestünde für ein Organellen-Gen die in diesem Zusammenhang attraktivste Möglichkeit darin, sämtliche Mittel seines Trägers in die Produktion von Weibchen zu lenken.
    Das entspringt nicht bloßer Phantasie. Hermaphroditen befinden sich in einer Art Dauerkriegszustand mit rebellierenden Organellen-Genen, die versuchen, ihre männlichen Gegenstücke aus dem Weg zu räumen. In über hundertvierzig Pflanzenarten hat man Gene nachgewiesen, die das männliche Geschlecht vernichten (male-killer genes). Ihnen wachsen Blüten, doch die Staubbeutel sind verkümmert: Es werden Samen produziert, aber Pollen fehlen. Die Ursache für diese Form von Sterilität ist grundsätzlich ein Organellen-Gen und niemals ein Kern-Gen. Dieses rebellierende Gen lenkt, indem es die Staubbeutel verkümmern läßt, die pflanzlichen Ressourcen zur Produktion von Weibchen um und sichert damit seine eigene Vererbung. Dem Kern ist ein solches Vorurteil gegen das weibliche Geschlecht fremd. Im Gegenteil, wenn es den Rebellen gelingt, ihre Ziele in vielen Artgenossen durchzusetzen, dann wäre es für den Kern von unschätzbarem Vorteil, der einzigen Pflanze in weitem Umkreis anzugehören, die noch in der Lage ist, Pollen zu produzieren. Wo immer also Gene auftauchen, die zur Sterilität in bezug auf das männliche Geschlecht führen, werden diesen sehr bald Kern-Gene entgegengesetzt, die die Fruchtbarkeit wiederherstellen. Beim Mais gibt es beispielsweise zwei Sterilitätsgene, die beide jeweils durch ein die Fruchtbarkeit wiederherstellendes Gen blockiert werden. Beim Tabak finden sich nicht weniger als acht solcher Genpaare. Durch die Kreuzung zweier Maissorten kann ein Pflanzenzüchter die Sterilitätsgene aus ihrer Unterdrückung durch den Kern befreien, denn das unterdrückende Gen des einen Elternteils erkennt den Rebellen des anderen nicht.
    Für den Züchter ist so etwas deshalb wünschenswert, weil sich die Pflanzen auf einem Feld unter diesen Umständen nicht selbst befruchten können. Wenn der Züchter nun eine andere Sorte dazwischenpflanzt, bei der das männliche Geschlecht fruchtbar ist, dann erhält er Hybridsamen.
    Und diese sind aufgrund eines mysteriösen Umstands namens Hybridvitalität sehr viel ertragreicher als ihre beiden Elternsorten. Sonnenblumen, Hirse, Kohl, Tomaten, Mais und andere Feldfrüchte sind in Gestalt von Sorten mit männlicher Sterilität und weiblicher Fruchtbarkeit Haupterwerbsquelle der Landwirtschaft auf der ganzen Welt. 27 Ob ein Gen für männliche Sterilität am Werk ist, läßt sich leicht feststellen, denn die Pflanzen erscheinen in diesem Fall in zwei Formen: als weibliche Pflanzen und als Hermaphroditen. Solche Pflanzenpopulationen werden als gynodiözisch bezeichnet; andro-diözische Pflanzen, die nur als männliche Pflanzen und als Hermaphroditen auftreten, sind so gut wie unbekannt: Beim wilden Thymian zum Beispiel ist in der Regel die Hälfte der Pflanzen weiblichen Geschlechts, die übrigen sind Hermaphroditen. Die einzig mögliche Erklärung dafür, daß sie auf halber Strecke entlang der Einbahnstraße steckengeblieben sind, ist ein dauernder Kampf zwischen den Organellen-Genen, die das männliche Geschlecht vernichten, und den Kern-Genen, welche die Fruchtbarkeit wiederherstellen. Unter bestimmten Umständen kommt es zum Patt, bei dem jedes weitere Vorgehen einer Seite der anderen Seite einen Vorteil und damit die Fähigkeit zurückzuschlagen verschafft. Je zahlreicher die Gene werden, die es auf das männliche Geschlecht abgesehen haben, um so stärker werden auch diejenigen gefördert, die es wiederherstellen. 28
    Auf Tiere läßt sich diese Logik nicht anwenden, denn die meisten tierischen Organismen sind keine Hermaphroditen. Hier zahlt es sich für ein Organellen-Gen nur dann aus, das männliche Geschlecht zu vernichten, wenn dadurch Energie oder irgendwelche anderen Mittel den

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