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Eros und Evolution

Eros und Evolution

Titel: Eros und Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ridley
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Rotwildhindinnen, die sich einmütig demselben Haremsbesitzer unterwerfen, haben beide ein Männchen aus vielen »gewählt«.
    Die »Wahl« der Pfauenhennen aber verläuft kein bißchen freiwilliger oder bewußter als die der Hindinnen. Es ist lediglich so, daß die Pfauenhennen verführt und nicht gewonnen wurden. Sie wurden von der Balz des besten Männchens betört, ohne der Sache auch nur einen einzigen Gedanken gewidmet zu haben – geschweige denn, realisiert zu haben, daß das, was sie taten, etwas mit einer »Wahl« zu tun hat. Man hat immer wieder den Fehler begangen, anzunehmen, Wahl sei ein bewußter und aktiver Vorgang, und deshalb sei es undenkbar, daß weibliche Tiere ihre Partner aufgrund »rationaler« Kriterien auswählen. 11 Betrachten wir eine menschliche Parallele: Die Karikatur zweier Höhlenbewohner, die auf Leben und Tod miteinander kämpfen, wobei der Gewinner sich die Frau des Verlierers über die Schulter wirft und mitnimmt, ist das eine Extrem. Cyrano de Bergerac ist das andere: Er hofft, Roxane allein durch Worte zu verführen. Dazwischen aber gibt es Tausende von Abstufungen. Ein Mann kann eine Frau im Wettkampf mit anderen Männern gewinnen, oder er kann um sie werben – oder beides.
    Beide Techniken – Werbung oder Wettstreit – sieben mit derselben Wahrscheinlichkeit den »besten« Mann aus. Der einzige Unterschied besteht darin, daß mit der ersten Technik Dandys selektioniert werden, mit der zweiten hingegen Schläger. Deshalb sind die Bullen der Elefantenrobben und Hirsche groß, bewaffnet und gefährlich. Pfauen und Nachtigallen hingegen sind ästhetische Schaumschläger.
    Bis zur Mitte der achtziger Jahre hatten sich die Indizien dafür gehäuft, daß bei vielen Arten die Weibchen eine ganze Menge zu sagen haben, wenn es um die Wahl ihres Partners geht. Überall dort, wo Männchen sich auf gemeinsamen Balzarenen tummeln, hängt der Erfolg eines Männchens stärker von seinen Fähigkeiten im Tanzen und Herumstolzieren ab als von seiner Fähigkeit, andere Männchen zu besiegen. 12 Es bedurfte einer Reihe einfallsreicher Skandinavier, um einwandfreie Hinweise darauf zu bekommen, daß Vogelweibchen bei der Partnerwahl in der Tat die männlichen Federn im Auge haben. Anders Møller, ein dänischer Wissenschaftler, dessen Experimente famos durchdacht sind, stellte fest, daß Schwalbenmännchen mit künstlich verlängerten Schwanzfedern rascher Partnerinnen finden, mehr Junge aufziehen und häufiger Ehebruch begehen als Männchen mit normalen Schwanzfedern. 13 Jakob Höglund bewies, daß man Doppelschnepfenmännchen, deren Balz in der Präsentation ihrer weißen Schwanzfedern besteht, dazu bringen kann, mehr Weibchen zu ködern, wenn man ihnen schlicht und einfach Deckweiß auf die Schwanzfedern malt. 14 Das allererste Manipulationsexperiment in dieser Reihe stammt von Malte Andersson, der sich mit einer afrikanischen Vogelfamilie beschäftigt, den Witwen.
    Witwen besitzen dicke schwarze Schwänze von der mehrfachen Länge ihres Körpers, die sie im Flug zur Schau stellen. Andersson fing sechsunddreißig Männchen, kürzte deren Schwänze und ersetzte die eine Hälfte durch verlängerte Schwanzfedern, die andere Hälfte ließ er verkürzt. Die Männchen mit den verlängerten Schwanzfedern erwarben deutlich mehr Partnerinnen als Männchen mit normalen oder verkürzten Schwanzfedern. 15 Ähnliche Experimente bei anderen Arten mit ungewöhnlich langen Schwanzfedern führten zu demselben Resultat. 16
    Weibchen wählen also. Schlüssige Beweise dafür, daß weibliche Präferenzen erblich sind, haben sich bisher nur schwer finden lassen, doch wäre es merkwürdig, wenn dem nicht so wäre. Ein brauchbarer Hinweis in diesem Zusammenhang kommt aus Trinidad. Dort lebt ein kleiner Fisch namens Guppy, der je nach der Umgebung, in der er lebt, unterschiedlich gefärbt ist. Zwei amerikanische Wissenschaftler konnten zeigen, daß bei den Guppy-Arten, bei denen die Männchen das leuchtendste Orange aufwiesen, die Weibchen orangefarbene Männchen allen anderen vorzogen. 17
    Eine solche weibliche Präferenz für den männlichen Schmuck kann sich zu einer Bedrohung für die Männchen entwickeln. Der afrikanische Malachit-Nektarvogel ist schillernd grün mit scharlachroter Haube. Er lebt in großen Höhen an den Hängen des Mount Kenya und ernährt sich von Nektar und Insekten, die er im Fluge fängt. Bei den Männchen sind die beiden mittleren Schwanzfedern verlängert, und die Weibchen bevorzugen die

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