Eros und Evolution
dieser Beobachtung gilt der Pfau als Krönung, Aushängeschild, Symbol und Inbegriff der sexuellen Selektion.
Warum aber sollten Pfauenhennen lange Schwänze mögen? Darwin konnte nur antworten: Ich nehme das einfach an. Pfauenhennen bevorzugen lange Schwanzfedern aufgrund irgendeines angeborenen Sinns für Ästhetik – was ohnehin keine Antwort ist. Und die Tatsache, daß Weibchen die Männchen auswählen und nicht umgekehrt, reflektiert – angesichts der passiven Rolle des Eies und der aktiven Rolle der Spermien – schlicht den normalen Gang der Welt: Männer verführen, Frauen werden verführt.
Von allen Überlegungen Darwins sollte die der Weibchenwahl sich als die am wenigsten überzeugende erweisen. Die Naturforscher akzeptierten zwar bereitwillig die Erkenntnis, daß männliche Waffen wie zum Beispiel Geweihe entstanden sein könnten, um dem Männchen beim Wettbewerb um Weibchen einen Vorteil zu verschaffen, doch sie schraken instinktiv ob der frivolen Vermutung zurück, die Federn eines Pfauenschwanzes könnten dazu da sein, Pfauenhennen zu verführen. Mit Recht wollten sie wissen, weshalb Pfauenhennen einen langen Schwanz attraktiv finden sollten und welchen möglichen Wert er für die Henne haben könnte. Ein ganzes Jahrhundert lang wurde Darwins These von der Weibchenwahl ignoriert, und die Biologen machten alle möglichen Verrenkungen, um mit anderen Erklärungen aufzuwarten. Darwins Zeitgenosse Alfred Rüssel Wallace stand ursprünglich auf dem Standpunkt, jeder Schmuck, sogar der Pfauenschwanz, sei damit zu erklären, daß er in irgendeiner Form der Tarnung diene. Später ging er zu der Auffassung über, Schmuck sei schlicht ein Ausdruck überbordender Manneskraft. Julian Huxley, der die Diskussion zu diesem Thema über viele Jahre hinweg beherrschte, zog dagegen die Ansicht vor, nahezu sämtlicher Schmuck und alles Balzverhalten hätten den Sinn, andere Männchen zu übertrumpfen. Wieder andere vertraten den Standpunkt, Schmuck sei für die Weibchen eine Hilfe zur Unterscheidung der Arten, damit sie in der Lage wären, ein Männchen der richtigen Spezies zu wählen. 6 Der Naturforscher Hugh Cott war von den leuchtenden Farben giftiger Insekten derart beeindruckt, daß er die Vermutung äußerte, alle grellen Farben und alle prächtigen Ornamente hätten den Zweck, Räuber vor Gefahren zu warnen. Manchmal stimmt das. Im Regenwald des Amazonas tragen Schmetterlinge einen Farbcode: gelb und schwarz bedeutet ungenießbar, blau und grün bedeutet zu schnell, um sich fangen zu lassen. 7 In den achtziger Jahren schuf man eine neue Version dieser Theorie und paßte sie der Färbung von Vögeln an: Sehr farbenprächtige Vögel sollten die wendigsten Flieger sein, somit vor Falken und anderen Räubern prahlen: Ich bin schnell, also versuch’ nicht, mich zu fangen. Ein Wissenschaftler setzte ausgestopfte Trauerschnäpper in einem Gehölz aus.
Die unauffällig gefärbten Weibchen wurden von Habichten und Falken angegriffen, die farbenprächtigen Männchen nicht. 8 Jede Theorie, so schien es, war der Ansicht vorzuziehen, Weibchen reagierten auf männliche Schönheit.
Und doch ist es unmöglich, einem Pfau beim Balzen zuzusehen, ohne dabei zu der Überzeugung zu gelangen, seine Schwanzfedern müßten etwas mit der Verführung von Pfauenhennen zu tun haben. Schließlich war das auch der Weg, wie Darwin zu seiner Schlußfolgerung gekommen war: Er wußte, daß die prächtigsten Federn bei Vogelmännchen der Werbung um Weibchen dienen und zu keinem anderen Zweck. Wenn zwei Pfauenhähne kämpfen oder wenn ein Pfau vor einem Räuber flieht, hält er seinen Schwanz sorgfältig zusammengefaltet. 9
Wettstreit oder Werbung
Der Weibchenwahl zur Anerkennung zu verhelfen, bedurfte es allerdings mehr als das. Es gab eine Menge hartnäckiger Anhänger der Huxleyschen Ansicht, all das sei lediglich eine Sache der Konkurrenz zwischen Männchen. »Dort, wo Weibchenwahl beschrieben wurde, ist sie nur ein Zusatz zu männlichem Konkurrenzverhalten und spielt vermutlich eine eher untergeordnete Rolle«, schrieb der britische Biologe Tim Halliday noch im Jahre 1983. Genauso wie eine Hirschkuh den Haremsbesitzer akzeptiert, der für den Harem gekämpft hat, so nimmt es vielleicht eine Pfauenhenne als gegeben hin, daß sie sich mit dem Champion unter den Männchen paart. 10
Unter einem Gesichtspunkt ist diese Unterscheidung mehr oder weniger unwichtig. Pfauenhennen, die sich alle für dasselbe Männchen entscheiden, und
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