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Eros und Evolution

Eros und Evolution

Titel: Eros und Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ridley
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auszuwählen, und umgekehrt. 20 Man beachte allerdings, daß im Falle der Monogamie das Männchen sowohl wählt als auch verführt: Ein Seeschwalbenmännchen wird seine Angebetete mit Fisch beschenken – einerseits, um sie zu füttern, andererseits, um ihr zu beweisen, daß er gut genug fischen kann, um für ihre Jungen zu sorgen. Wenn er das zuerst brutbereite Weibchen im Brutgebiet wählt, und wenn sie den besten Fischer aussucht, dann wenden beide äußerst sinnvolle Kriterien an. Es wäre albern, auch nur einen Gedanken darauf zu verschwenden, bei ihrer Paarung spiele die Wahl keine Rolle. Von den Seeschwalben bis zur Pfauenhenne gibt es ein Kontinuum verschiedener Kriterien. Eine Fasanenhenne zum Beispiel, die bei der Aufzucht ihrer Jungen keine Hilfe vom Hahn erfährt, wird einen einzelnen Hahn in ihrer Nachbarschaft ignorieren und sich in den Harem eines Hahns begeben, der bereits mehrere Hennen sein eigen nennt.
    Dieser unterhält in seinem Territorium eine Art von Schutzgeldunternehmen, und als Gegenleistung für das Monopol über seine Weibchen bewacht er sie, während sie fressen. Für die Weibchen ist ein guter Beschützer wichtiger als ein treuer Ehemann. Eine Pfauenhenne dagegen erhält solchen Schutz nicht. Das einzige, was sie vom Hahn bekommt, ist Sperma. 21
    Und doch gibt es hier ein Paradoxon. Im Falle der Seeschwalbe wäre es eine fatale Entscheidung, ein kümmerliches Männchen zu wählen, denn das Weibchen liefe Gefahr, seine Küken dem Hungertod preiszugeben.
    Im Falle der Fasanenhenne wäre es von Nachteil, den weniger guten Haremsverteidiger zu wählen. Im Falle der Pfauenhenne aber hat die Wahl eines armseligen Männchens für sie so gut wie überhaupt keine Konsequenzen. Sie hat von ihrem Partner keine praktische Hilfe zu erwarten, also, so scheint es, auch nichts zu verlieren. Man sollte deshalb erwarten, daß die Wahl am sorgsamsten von der Seeschwalbe und am wenigsten sorgfältig von der Pfauenhenne getroffen wird.
    Die Realität aber sieht genau umgekehrt aus. Pfauenhennen begutachten mehrere Männchen und lassen sich bei ihrer Entscheidung Zeit, so daß jedes Männchen sein Rad im besten Licht präsentieren kann. Zudem wählen die meisten Pfauenhennen dasselbe Männchen. Seeschwalben paaren sich ohne große Umstände. Am wählerischsten scheinen die Weibchen dort zu sein, wo es am wenigsten darauf ankommt. 22

Schwindender Genvorrat
    Am wenigstens darauf ankommt? Eine wichtige Sache gibt es, auf die es bei den Pfauen ankommt: eine Handvoll Gene. Gene sind das einzige, was eine Pfauenhenne vom Hahn bekommt – eine Seeschwalbe dagegen erhält darüber hinaus auch praktische Hilfe. Ein Seeschwalbenmännchen muß lediglich seine elterlichen Fähigkeiten unter Beweis stellen; ein Pfau muß demonstrieren, daß er die besten Gene anzubieten hat.
    Pfauen gehören zu den wenigen Vögeln, die so etwas wie einen Markt der Verführungskunst abhalten, eine sogenannte Arenabalz. Verschiedene Hühnerarten, einige Paradiesvögel und Schnurrvögel, einige Antilopen, Rehe, Fledermäuse, Fische, Schwärmer, Schmetterlinge und andere Insekten verfahren ebenso. Zur Brutzeit kommen die Männchen an einem Balzplatz zusammen, markieren kleine, dicht beieinanderliegende Territorien und preisen den vorübergehenden Weibchen ihre Waren an. Charakteristischerweise versammelt ein einzelnes Männchen oder einige wenige – in der Regel diejenigen, die sich in der Nähe des Arenazentrums befinden – die meisten Partnerinnen. Doch die zentrale Position eines erfolgreichen Männchens ist weniger die Ursache seines Erfolgs denn seine Konsequenz: Die anderen Männchen versammeln sich um den Champion herum.
    Am besten untersucht ist in diesem Zusammenhang das Beifußhuhn des amerikanischen Westens. Es ist ein großartiges Erlebnis, vor dem Beginn der Morgendämmerung in die Ebenen Wyomings hinauszufahren und zu beobachten, wie sich eine eintönige Prärie mit tanzenden Beifußhühnern füllt. Jedes davon kennt seinen Platz, jedes vollführt sein festgelegtes Balzritual, bläst seine Luftsäcke auf, stelzt umher und trägt die aufgeblasenen Luftsäcke in seinem Gefieder zur Schau, wobei es um keinen Deut anders aussieht als eine Tänzerin in den Folies Bergères.
    Die Weibchen schlendern über diesen Markt, und nach einigen Tagen der Begutachtung aller angebotenen Waren paaren sie sich mit einem der Männchen. Daß sie bei ihrer Entscheidung nicht gedrängt werden, ist offensichtlich: Das Männchen kopuliert mit dem

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